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Kotzmotz der Zauberer

Kotzmotz der Zauberer

Titel: Kotzmotz der Zauberer
Autoren: Brigitte Werner
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hasenzahnkleinen Abschiedskuss auf die lange Zauberernase geben wollte, wurde sie so blass und weiß wie die sonnengebleichten Knochen einer mausetoten Steppenratte.
    Und dann kroch ein so fürchterlicher, brunnenschachttiefer, scherbensplitterscharfer Schmerz in dem Zauberer hoch, dass er die Bettdecke über sein erstarrtes Gesicht zog. Und sein langer, dünner Körper wurde so stock und steif wie der Besenstiel in der Besenkammer.
    Sein altes Zaubererherz stolperte in ein wildes Gejage und verhaspelte sich.
    Und die Luft unter der Bettdecke war so heiß und dick wie ein dicker, fetter Pfannkuchen.
    Und jede einzelne Stelle in und an seinem Körper tat ihm weh und wollte gestreichelt werden.
    Und als er das alles nicht mehr aushalten konnte, sprang er aus dem Bett, raste zur Tür und schob die schweren Riegel davor.
    RUMS!
    Dann nahm er einen langen, rostigen Schlüssel und verschloss die Tür.
    KNIRSCH UND KNACKS!
    Dann rannte er zurück und warf die Fensterläden zu. KRACH!
    Und in dem Zimmer wurde es nachtdunkel. Mitten am Tag. »WAGE-ES-NICHT-WEGZUGEHEN-DU-WICHT-VON-EINEM-HASENFURZ-SONST-MACH-ICH-SCHNECKEN-SCHISS-AUS-DIR!«, schrie er.
    Und der kleine Hase konnte sehr genau all die Verzweiflung und die Traurigkeit und das Alleinsein und die Angst vor der Verzweiflung und der Traurigkeit und dem Alleinsein darin hören, und sein kleines Hasenherz zog sich zusammen und tat weh.
    »Aber ich muss doch nach Hause«, sagte er. »Ich habe schon zwei Nächte hier geschlafen, nein drei, und ich muss dem Eichhörnchen mal wieder Guten Tag sagen.
    Und die Eule hab ich lange nicht gesehen.
    Und ich möchte mit meiner kleinen Schwester spielen.
    Und ich muss doch noch das Windlied mit den Schmetterlingen üben.
    Und ...«
    Da stellte sich der Zauberer vor den zerzausten Hasen und reckte sich noch höher, so dass sein Kopf fast die verstaubten Dachbalken berührte, und sein knochenbleiches Gesicht wurde rot und röter, bis es aussah wie eine überreife, fast platzende Tomate.
    Und er schrie:
    »Ich befehle dir zu bleiben!! Für IMMER und IMMER und IMMER! JAWOLL!
    Und wenn du das nicht tust, dann sperre ich dich ein.
    Ich verspeise dich zum Nachtisch, jawoll, ich lege dich in Ketten, ich werf dich ins Verlies, ich ...!«
    Da fiel sein trauerschwarzzorniger Blick auf das aufgeschlagene Zauberbuch mit dem К auf dem Rücken und dem Körbchen mittendrin.
    Und er fuchtelte und blätterte wie wild, murmelte lange, dunkle Wörter, und
    RUCK und ZUCK
    gab es ein Knirschen und Knacksen, ein Rasseln und Rütteln, und schwere, eisenrostige Ketten drückten die vier Pfoten des erschrockenen Hasen fest zusammen.
    AU!
    Und eine der langen Ketten rasselte und rüsselte sich um das schwere, wurmstichige Bein des alten Tisches, und
    KLACK
    fügte es sich zu einem fest geschlossenen Kettenglied
    zusammen. Und
    ZACK
    konnte sich der hilflose Hase nicht mehr rühren.
    AUS!
    Er schluckte und schluckte, und seine Augen suchten die Augen des Zauberers, aber der blätterte wie wild weiter in dem alten Zauberbuch und jahrhundertealter Staub flog in kleinen Wolken aus den vergilbten Seiten.
    Und nach einem neuen langen, dunklen Wort machte es PENG!
    Und über den in Ketten gelegten Hasen stülpte sich ein Käfig mit schweren, dicken Gittern, der keinen Ein- und erst recht keinen Ausgang hatte.
    Nochmals AUS!!
    »SO!«, schrie der Zauberer. »Jetzt kannst du NICHT mehr weg! JAWOLL! NIEMEHR NIE!
    Du bleibst hier. Immer und immer, sonst mach ich ...«
    »Schneckenschiss aus mir, ich weiß«, sagte der kleine Hase leise. »Aber dann geht doch alles wieder von vorne los ...« Doch der Zauberer hörte nicht.
    »Wir sind Freunde«, schrie er. Und seine verzweifelte Stimme hatte tausend Widerhaken, die sich alle in das Herz des kleinen Hasen krallten.

    »Und deshalb bleibst du hier! JAWOLL! Das wollen wir doch mal sehn! Du bist mein Freund! MEINER!
    Das Eichhörnchen ist NICHT dein Freund. Dieses micker-dünn-dämliche Spring-vom-Baum soll sichgefälligst einen anderen Spring-vom-Baum-in-die-Falle-Freund suchen.
    Und deine verflohte Schwester kann warten, bis alle hunderttausend Flöhe in Särge verpackt und beerdigt sind. JAWOLL!
    Und die bekloppte Plingpling-plemplem-Eule kann sich einen eigenen Plemplem-Eulenfreund zum Gutentagsagen herbeiplinkern«, schrie er. »ICH BIN DEIN FREUND! Deiner ganz allein! JAWOLL JAWOLL JAWOLL!«
    Und als ihm die Luft ausging und seine unruhigen, verzweifelten Augen nur einen Blick von einem Augen-blickchen in die Augen des
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