Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst
Autoren: Alexa Thiesmeyer
Vom Netzwerk:
Zeitung stand.
    Sein Herz pumpte aufgeregt. Er versuchte, es zu ignorieren und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Er musste etwas tun. Überprüfen, ob der Mann, der da lag, wirklich so tot war, wie es den Anschein machte. Einen Anruf tätigen, Notruf, Polizei, Rettungswagen. Und dann ruhig bleiben, hier warten, einfach herumstehen in seiner lächerlichen Kluft, in Gesellschaft eines dicken, alten Dackels, einer Leiche und eines Bussards, der am Himmel kreiste und klagende Rufe ausstieß.
    Kurz liebäugelte er mit dem Gedanken, sich einfach umzudrehen, die Steigung energisch und entschlossen hinaufzuwalken. Zurück nach Lengsdorf, einfach nach Hause gehen und so tun, als wäre nichts geschehen. Irgendwer würde den Toten schon finden. Irgendwer anders, jemand, der der Situation besser gewachsen war als er.
    Er seufzte. Verfluchte sein Schicksal in gotteslästerlicher Manier. Dann zog er sein Handy aus der Tasche und wählte den Notruf.

ZWEI
    Britta öffnete das Küchenfenster, um den zwar nicht unangenehmen, aber doch sehr raumgreifenden Duft nach gebratenen Eiern gegen ein wenig frische Morgenluft zu tauschen. Sie blickte in den Park des Anwesens im Godesberger Villenviertel, versuchte, den Anblick zu genießen. Mit mäßigem Erfolg.
    »Noch einen Kaffee?« Sie wandte sich zu Margot um, die eben ihren geleerten Teller von sich schob.
    Die winkte ab. »Till kann jeden Moment hier sein.«
    Britta rollte die Augen. Till war Margots neuester Zeitvertreib. Knackige zwanzig war der Junge, und er frönte einer teuren Leidenschaft. Einem roten Ford Thunderbird nämlich, Baujahr 1977, den er sensationell billig bei einem dubiosen Internethändler erstanden hatte. Im Rausch der Begeisterung hatte er den finanziellen Aufwand, den Instandsetzung und -haltung des Gefährts mit sich brachten, geflissentlich übersehen. Als sich das zu rächen drohte, war er auf die gloriose Idee gekommen, seine Dienste als Chauffeur per Inserat anzubieten.
    Eine fragwürdige Geschäftsidee, jedenfalls dann, wenn sie Kundschaft wie Margot auf den Plan rief. Die ließ sich begeistert in einschlägige Cafés im Ahrtal kutschieren, um dort mit Till einzukehren und die irritierten Blicke der kaffeeklatschenden Seniorinnen zu genießen. Dass die meisten Till eher für ihren Enkel als für ihren Lebensabschnittsbegleiter hielten, kam ihr dabei nicht in den Sinn. Trotz ihres gereiften Alters befand Margot sich nämlich im Zustand der immerwährenden Pubertät. Das konnte amüsant sein. Musste aber nicht.
    Letztlich war es ohnehin egal, dachte Britta. So, wie alles irgendwie egal war. Jedenfalls der überwiegende Teil der Dinge. Jedenfalls in letzter Zeit.
    Margots Stimme riss sie aus ihren unerfreulichen Gedanken. »Du brauchst ein paar anständige Psychopharmaka. Und zwar dringend.«
    »Es geht mir gut.«
    »Sicher. Das kann man sehen.« Margot schüttelte unwillig den Kopf. »Und – was hast du heute so vor?«, erkundigte sie sich, anscheinend um versöhnliche Stimmung bemüht.
    »Keine Ahnung. Nichts …«
    »Nichts? Na, das klingt doch toll. Das macht dir heute bestimmt noch mehr Spaß als gestern und vorgestern.«
    »Ich orientiere mich! Ich nehme mir die Zeit, die ich brauche.« Britta griff nach Margots Teller und stellte ihn in den Geschirrspüler. »Wenn dir das nicht passt, dann sag es doch einfach.« Sie knallte die Tür des Geräts zu.
    »Genau das tue ich gerade. Aber ich will dich nicht belästigen. Ich muss ja nicht verstehen, inwieweit es deiner Orientierung dient, Tag für Tag hier herumzuhängen, Trübsal zu blasen und die Schränke von unten mit der Zahnbürste zu reinigen. Ich mag reinliche Verhältnisse. Und wenn dich das glücklicher macht, als mit Zuckerschnute im siebten Himmel zu poussieren …«
    »Lass Wörner aus dem Spiel! Das hat mit ihm gar nichts zu tun. Wenn ich hier ein bisschen sauber mache, dann ganz sicher nicht wegen Wörner, sondern weil es verdammt nötig ist!«
    Margot seufzte.
    Bevor Britta ihrem inneren Wunsch folgen und die Hände um Margots Hals legen konnte, ertönte ein Kläffen. Louis, die englische Bulldogge, kam unter dem Tisch hervor. Seinen feinen Ohren war das röhrende Motorengeräusch, das sich näherte, nicht entgangen. Auf krummen Beinen wackelte er zur Hintertür, um der Welt kläffend zu verkünden, dass Besuch ins Haus stand.
    Wie gewohnt klopfte Till nur kurz, bevor er in die Küche spazierte, und machte Louis, der begeistert bellend an ihm hochsprang, mittels ausgiebigem Kraulen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher