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Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär

Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär

Titel: Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
Autoren: Petros Markaris
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Deutschen hatten die generalstabsmäßige Planung und die Aufsicht übernommen, die Mitglieder der Sicherheitsbataillone das Töten. Kommatas war einer der dreihundert, und er tötete die meisten. Einer von den Dolmetschern der Deutschen sagte später, die Deutschen hätten ihn ständig ermahnt: >Sachos, keine Frauen und Kinder!< Doch er tat so, als hätte er nichts gehört. Er steigerte sich in einen Blutrausch hinein. Die wenigen Überlebenden fangen an zu zittern, wenn sie sich an Sachos erinnern, wie vor einem blutrünstigen wilden Tier, wie vor einem Massenmörder, den man, hat man ihn einmal gesehen, nie wieder vergißt. Und sie haben nicht nur das alte Kalavryta in Brand gesteckt, sondern auch die umliegenden Dörfer, Melissia, Vrachni, Mega Spileo und noch drei oder vier andere.«
      Während ich Thodoris zuhöre, wird mir klar, daß Sachos Kommatas derjenige ist, den ich suche. Er hat das Modell des Massakers von Kalavryta aufs neue angewendet. Damals waren die Deutschen die Planungsbehörde, und unsere Leute mordeten, nun war er der führende Kopf und fand Perandonakos als ausführendes Organ. Und hätten die anderen fünf nicht die El Greco entführt, dann hätte er sogar sechs ausführende Organe gehabt.
      »Sachos war der Grund, warum ich zu den Partisanen gegangen bin.« Thodoris' Stimme unterbricht meine Gedanken. »Ich stamme aus Melissia. Sie hatten meinen Vater und meinen Bruder umgebracht. Durch Zufall überlebte ich, weil ich in Ejio war. Als ich ins Dorf zurückkehrte, fand ich sie im Leichenhaufen der Hingerichteten. Meine Mutter habe ich nie wiedergesehen, wahrscheinlich ist sie in den Flammen ums Leben gekommen. Ich war mutterseelenallein, da machte ich mich aus dem Staub und ging als Partisan in die Berge.«
      »Weißt du, wo sich Sachos Kommatas aufhält?«
      »Immer mit der Ruhe, so weit sind wir noch nicht. Ein großer Teil der Mitglieder der Sicherheitsbataillone, die an dem Massaker beteiligt waren, wurde von der griechischen Volksbefreiungsarmee bei Meligalas niedergemacht. Sachos aber war schlau, er hatte sich rechtzeitig abgesetzt und verhielt sich ruhig. Nach dem Dezember-Aufstand ergab er sich den Briten. Damals setzten die Briten in der neu gegründeten griechischen Armee und in der Polizei ab und zu Angehörige der Sicherheitsbataillone ein. Das kam ihnen zupaß, weil man sie in der Hand hatte und mit ihnen nach Gutdünken umspringen konnte. Sachos jedoch wagten selbst sie nicht aufzunehmen. Er hatte ein langes Sündenregister, schon seit der Metaxas-Diktatur, und er war als Straftäter registriert. Schließlich erklärten sie ihn für verrückt und sperrten ihn in der Irrenanstalt auf Leros ein. Aber es war ein abgekartetes Spiel. Er hatte ein eigenes Zimmer und alle Annehmlichkeiten, unter der Bedingung, sich nicht draußen sehen zu lassen. Sonst hätte er alle Privilegien verloren. Als die Anstalt durch den Druck der Europäischen Union geschlossen wurde, wollte eine Anzahl von psychisch Kranken, die als geheilt betrachtet wurden, nicht fort, weil sie nicht wußten, wohin. So wurde die Anstalt in ein Heim umgewandelt für diejenigen, die nirgendwo anders hingehen konnten. Doch Sachos ging lieber, weil er sonst fürchten mußte, entdeckt zu werden. Und noch einmal verwischte er seine Spuren.«
      »Weißt du, wo er sich jetzt aufhält?« frage ich erneut.
      »Klar weiß ich das. Den habe ich nie aus den Augen verloren. Er lebt in einer Hütte außerhalb von Stamata. Wenn du von Stamata Richtung Amygdalesa fährst, findest du sie rechterhand. Es ist ein kleiner Bau, der einem Bahnwärterhäuschen ähnelt. Dort wohnt er.«
      Schweigen macht sich breit. Keiner von uns sagt ein Wort. Kurz darauf wendet sich Sissis zum ersten Mal mir zu und blickt mich an.
      »Was hast du vor?« fragt er mich.
      »Ich will ihn aufsuchen.«
      Thodoris blickt mich an, und ein Zweifel blitzt in seinen Augen auf. »Stell dir bloß vor, nach vierzig Jahren schicke ich Sachos die Polizei auf den Hals«, sagt er. »Nach vierzig Jahren«, sagt er wieder, als müßte er es noch hundertmal wiederholen, um es zu glauben.
      Dann sinkt sein Kopf nach vorne, als sei er müde oder eingeschlafen. Nun wirkt er weder wohlgenährt noch rosig, sondern wie ein unförmiger Fettkloß. So wird Sissis, der nur Haut und Knochen ist, nie aussehen.
     
     

* 50
     
    Ich lasse den Sonntag verstreichen, da ich nicht ausgerechnet an dem Tag zu Kommatas fahren will, an dem alle Leute Fisch und
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