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Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone

Titel: Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone
Autoren: Mark Brandis
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zugleich hatte der Pomnik ein schwaches, kaum wahrnehmbares Echo festgehalten: das Echo von einem anderen Festkörper, der uns offenbar auf gleicher Bahn um etliches voraus war.
    Ich entsann mich, daß Tamara nachts im Cockpit gewesen war.
    „Du hast es gewußt ", hielt ich ihr erbost vor.
    Sie warf einen gleichgültigen Blick auf die verblassende Anzeige.
    „Ach, das... "
    „Du hast es gewußt und nichts davon gesagt!"
    „Du solltest mir dankbar sein. Ich habe dir die Entscheidung erspart."
    Mit ihr zu streiten, war sinnlos, denn ich verlor jedesmal .
    Sie blickte mir über die Schulter, während ich das aufgezeichnete Echo angestrengt studierte - so lange, bis es diesem nicht anders erging als meinem nächtlichen Traumbild. Unter meinen Augen löste es sich auf, bis nur noch gähnende Leere vorhanden war.
    „Dein Pomnik ', sagte Tamara und gähnte, „ist ein kleiner Spinner."
    Ich wußte , daß der Pomnik alles andere als ein Spinner war und daß sich das Phänomen der Selbstauflösung mit der Schwäche des empfangenen Impulses erklären ließ, aber Tamara machte einen Vorschlag, der mich auf andere Gedanken brachte.
    Im Fitnessraum war ich damit beschäftigt, den Punchingball mit den Fäusten zu bearbeiten, als Tamara das Schott auffuhr. Ihr Gesicht strahlte. „Mark, mach Schluß und komm ins Cockpit!"
    „Was zum Teufel ist denn los?" fragte ich ungehalten. „Ich bin gerade so gut in Fahrt." Tamara zerrte an meinem Arm. „Das draußen ist wichtiger. Komm, sieh dir das an!"
    „Was ist wichtiger?"
    „Wir sind gleich da."
    „Dann sag das doch gleich!"
    Wie ein großer grüner Luftballon schwebte der künstliche Planet im leeren Raum, stummer Zeuge einer längst erloschenen, unbekannten Zivilisation, und Tamara, die neben mir im Cockpit saß, berichtete, wie sie irgendwann durch Zufall auf ihn gestoßen war und von ihm Besitz ergriffen hatte.
    „Stell dir vor, Mark - niemand außer mir will ihn haben. Für die einen ist er zu abgelegen, und für die anderen bietet er zu wenig Komfort. Praktisch gehört er mir ganz allein. Er ist meine Eremitage, wohin ich mich zurückziehe, wenn ich, was vorkommt, des ganzen Trubels überdrüssig bin. Und so habe ich ihn auch getauft - auf den Namen Eremitage ."
    Eremitage rückte näher, und ich erkannte Einzelheiten: Spuren einer früheren Bebauung, überwucherte Rudimente eines Straßennetzes und eine schimmernde Seenplatte, aus der mildes Licht quoll und den einsamen Himmelskörper mit einer hellen Aura umgab.
    „Ich habe es gewußt , Mark", sagte Tamara, „Eremitage wird dir gefallen."
    Zum ersten Mal erlebte ich, daß sie sich über etwas freuen konnte wie ein kleines Kind. Sie war aufgesprungen und hinter mich getreten, und so raunte sie mir die nächsten Worte direkt ins Ohr:
    „Hier werden wir bleiben, Mark, nur du und ich, und die Erde kann uns gestohlen bleiben. Wir werden hier leben und eine Menge Spaß miteinander haben."
    Auf eine völlig neue Art fühlte ich mich überrumpelt, und irgend etwas , gleichsam eine ferne leise Stimme, mahnte mich zur Vorsicht. Ich wandte den Kopf - und nun endlich stellte ich die längst überfällige Frage, um die ich mich bislang immer herumgedrückt hatte:
    „Wer überhaupt bist du?"
    Eine Weile lang blieb sie stumm, dann ließ sie mich ihr Lachen hören.
    „Mark, sei nicht dumm! Ich bin deine Tamara. So einfach ist das. Und jetzt paß auf!"
    Mir war bereits aufgefallen, daß sich Eremitage langsam um eine imaginäre Längsachse drehte. Ein perlweißes Bauwerk mit einer reichgegliederten Fassade, die auf mich wirkte wie feines Filigran, an einem Wasserlauf oder Kanal gelegen, wuchs über dem Horizont empor. Erst auf den zweiten Blick erkannte man die astrale Festung.
    Tamaras Arme ruhten auf meinen Schultern.
    „Unser Reich! Du bist der Herrscher. Und ich werde deine Dienerin sein. Siehst du den Landeplatz? Was brauchst du, um aufzusetzen? Den Winkel? Ich gebe ihn gerade ein."
    Die SCOUT setzte an zum Landeanflug, und Tamaras Fingernägel gruben sich plötzlich in meine Muskulatur.
    Auf dem Landeplatz parkte ein mittelgroßes graues Schiff. Die Beschriftung war nicht mehr leserlich.
    „Mark, was hat das zu bedeuten?"
    Ich entsann mich des schwachen Echos, das der Pomnik nicht lange genug hatte konservieren können, und hob die Schultern.
    Gleich neben dem grauen Schiff setzte ich auf, entriegelte den Einstieg und fuhr die Gangway aus. Draußen wehte ein leichter Wind, und mit dem Wind kam ein verzweifelter Schrei
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