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Korrupt (German Edition)

Korrupt (German Edition)

Titel: Korrupt (German Edition)
Autoren: Robert Kviby
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Zeitpunkt für den Angriff warteten. Sie bedrohten sie, Stimmen hinter oder über ihr, gedämpft von den Masken, die die Gesichter verbargen. Das Adrenalin, das ihr in die Adern schoss, und der Versuch, sich aus den Fesseln zu befreien, die sie am Boden hielten. Die in ihre Handgelenke einschnitten, wenn sie kämpfte. Sie wusste, dass sie im Dunkeln lauerten, wusste aber nicht, was geschehen würde. Wann würde sie das Bewusstsein verlieren, und was würde verloren sein, wenn sie wieder zu sich kam? Sie erwachte stets mit einem Schrei, und jedes Mal legte ihr Max eine Hand auf die heiße Stirn. Sie wollte, dass er seine Hand dort liegen ließ, damit sie spürte, dass er nicht nur eine Illusion war wie hundertmal zuvor in jenem Zimmer. Selbst als er wirklich dort erschienen war, hatte sie ihn für eine Halluzination gehalten. Jedes Mal sagte sie die gleichen Worte: Du musst fliehen.
    Tagsüber schwankte sie zwischen Vergessen und dem Gefühl, von einer Krankheit infiziert worden zu sein. So konnte sie in einem Café sitzen und an andere Dinge denken, bis plötzlich die Narbe scheuerte, die Mingus’ Geburt hinterlassen hatte und ihr in Erinnerung rief, was sich in ihrem Inneren verbarg. Als handele es sich bei der Naht um mangelhaftes Flickwerk, das jeden Moment aufzuplatzen drohte, und alles, was sie zu unterdrücken suchte, hervorquellen würde. Als hätte sich der Tod an ihr gerieben, sei in jede Pore eingedrungen und hätte dabei einen abgestandenen Geruch hinterlassen. Manchmal fühlte es sich auch an, als sei dieser Geruch in sie eingedrungen und habe sich gnadenlos in ihrem Kind festgesetzt. Noch bevor es zur Welt gekommen war, war die Welt zu ihm gekommen.
    Oft ging sie abends allein in dem Viertel spazieren, in dem sie vorübergehend wohnten, ehe es weiterging. Immer wieder dachte sie, dass sie sich in ein Abenteuer gestürzt hatte, dessen Konsequenzen sie nicht hatte absehen können. Sie hatte möglicherweise eine naive Vorstellung von dem gehabt, was sie da verfolgte, und an jenem Tag in der Kungliga Biblioteket war ihr plötzlich klargeworden, dass sie einer scheußlichen Sache auf der Spur war, die mit ihrem eigenen Leben zu tun hatte. Was sie gerne in weiter Ferne von sich und ihrer eigenen Familie gewähnt hätte, steckte in ihr und brachte sich mit jedem Herzschlag in Erinnerung. Vielleicht hatte sie es aber auch die ganze Zeit über gewusst. Den Ermordeten Gerechtigkeit widerfahren lassen zu wollen war vielleicht nur ein Vorwand gewesen, um ihre Mutter zu rächen. Das Schicksal hatte sie und ihren Vater zueinandergeführt, und ihre neuerliche Begegnung war von den gleichen Umständen begleitet worden wie ihre damalige Trennung. Von Gewalt und Tod. Sie hatte einen gesichtslosen Mann gejagt, der die Gewalt verkörperte, die in den Schatten lauerte, und dabei ihren Vater gefunden. Ihre Bitte um Rache war erhört worden. Von wem, wusste sie nicht, und das spielte auch keine Rolle. Denn die Vergeltung hatte nichts verändert. Eine Weile hatte sie geglaubt, jetzt sei endlich Schluss, den Mädchen und ihrer Mutter sei endlich Genugtuung widerfahren. Aber immer öfter überwältigte sie das Gefühl, dass sie einer Schlange den Kopf abgeschlagen hatte, die sich daraufhin geteilt hatte und in unterschiedliche Richtungen verschwunden war, um im Verborgenen zu erstarken. In solchen Momenten fand sie, dass sie nichts erreicht hatte, außer dass sie sich jetzt auf der Flucht befanden.
    Sie besaßen nur das Geld, das Patrik ihnen gegeben hatte. Alles andere hatten sie ausgeschlagen. Als Max Vitomir von einer Raststätte bei Ängelholm angerufen hatte, hatte Vitomir Annie gebeten, ihm die Geschichte zu bestätigen, die ihm Buster Droth erzählt hatte. Annie hatte ihm zugehört, einige Male ja gesagt und den Hörer dann an Max zurückgereicht. Alles, was Buster Droth über Johan erzählt hatte, stimmte. Vitomir hatte Max gefragt, ob sie etwas von dem Geld wollten, das ihnen der Alte schulde. «Ich werde dafür sorgen, dass alle meine Forderungen erfüllt werden», hatte Vitomir Jozak gesagt. «Ich verfüge über zwanzig Millionen Schwarzgeld, das sie nie zurückfordern können und nie zurückfordern werden. Davon könnt ihr einen Teil haben. Ich bin zwar kein Weihnachtsmann, aber mit diesem Geld könnt ihr untertauchen, und davon profitieren alle.»
    «Wir wollen Ihr Geld nicht», sagte Max. «An diesem Geld klebt Blut.» Er schwieg einen Augenblick, sah Annie an und sagte dann. «Aber wir kennen jemanden, der es
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