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Korrupt (German Edition)

Korrupt (German Edition)

Titel: Korrupt (German Edition)
Autoren: Robert Kviby
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Paris gewesen waren. Sie waren frisch verliebt und hatten das Zimmer in der Rue de Poitou kaum verlassen. Als sie es doch einmal getan hatten, waren sie mit der Lampe und mit einem Lichtenstein-Druck zurückgekehrt. Das war ein halbes Jahr, nachdem sie zusammengekommen waren.
    Eigentlich hätte er zu Hause sein müssen. Wenn er sich nach seinem Auftritt gleich auf den Weg gemacht hatte. Er spielte in der Regel bis Mitternacht und hatte versprochen, anschließend nach Hause zu kommen. Sie hatten am nächsten Morgen einen Termin mit der Hebamme.
    Noch eine halbe Stunde, dann würde sie zu Bett gehen, egal, ob er da war oder nicht.
    Sie begann, in den Abschriften der auf Tonband aufgenommenen Interviews mit Sissi zu lesen.
Einundzwanzig Jahre alt. Kontakt durch Sonja. Wohnten zeitweilig zusammen, im Augenblick jedoch nicht. Auf der Malmskillnadsgatan, seit sie vierzehn war. Kam zusammen mit älteren Freundinnen dorthin. Drogenprobleme, seit sie sechzehn war. Kürzere Perioden clean. Debüt vor zwei Jahren.
    Sonja war die Erste, die Annie im Frühjahr kennengelernt hatte. Sonja war 26 und schon länger dabei als Sissi, die einen kleinen Sohn hatte, den ihr das Jugendamt weggenommen hatte. Sein Foto steckte in ihrer Brieftasche. Manchmal sprach sie von dem Tag, an dem sie ihn überraschen wollte. Sie wollte eine richtige Mutter sein, ordentlich, mit Geschenken und einer Zukunft. Sissi war trotz ihrer Sucht noch recht gut beieinander. Annie hatte keinen Zweifel daran, dass Sissi mehr als nur eine redselige Hure war. So hatte sich ein Polizist ausgedrückt, als Annie über Informationen diskutieren wollte, die sie von Sissi erhalten hatte. Er war einer von den ignoranten Beamten gewesen und hatte Annie gar nicht richtig zugehört. Es gab etliche solcher Polizisten, besonders unter den uniformierten Gorillas von der alten G-Streife, mit gewienerten Stiefeln, die sie von ihrem eigenen Geld gekauft hatten. Annie mied sie, wann immer sie konnte.
    Sie war sich sicher, dass Sissi etwas wusste, was ihr zum Durchbruch verhelfen konnte. Aber Sissi redete immer um den heißen Brei herum, und ehe sich etwas Wesentliches ergab, musste sie schon wieder weiter und war nicht aufzuhalten.
    Anfang des Jahres hatte Annie begonnen, sämtliche Informationen zusammenzutragen. Kommentare von Polizisten, Staatsanwälten oder, was seltener war, von Verteidigern. Sie versuchte, aus den Streitigkeiten zwischen Dezernaten und Polizeibezirken schlau zu werden und herauszufinden, was die Polizei Västerort über die Polizei Norrmalm dachte und umgekehrt. Oder ihre Ansichten über die Idioten von der Staatsanwaltschaft miteinander zu vergleichen. Manch einer redete mehr, als ratsam war. Gelegentlich hatte sie das Gefühl, dass man sie als Mittel zum Zweck einsetzen wollte, um die Ermittlungen in eine bestimmte Richtung zu lenken, wenn man ihr Informationen lieferte in der Hoffnung, dass diese in der Zeitung erschienen. Aber darauf fiel Annie nicht herein und erfuhr dennoch genug, um zu der Überzeugung zu gelangen, dass sie auf dem richtigen Weg war. Was fehlte, waren Beweise, die vor Gericht Bestand hatten. Die so eindeutig waren, dass sie in der Zeitung erscheinen konnten, ohne dass eine Verleumdungsklage ins Haus flatterte.
    Es hieß, es gebe einen Club oder eine Loge, der Herrenbund genannt wurde, mit Kontakten zu jungen Prostituierten. Er war jedoch nicht so geheim, dass man nicht die Adresse und die Telefonnummer einer höflichen Person gefunden hätte, die an eine andere Person verwies. Der Club bestand aus Männern aus Wirtschaft und Politik, und die meisten Mitglieder hatten wahrscheinlich nichts zu verbergen. Die Herausforderung bestand darin, zum inneren Kreis vorzudringen, auf den das nicht zutraf. Dem inneren Kreis, der Frauen als Handelsware betrachtete, mit der man nach Belieben umspringen konnte. Die Frauen hatten bereits geredet und festgestellt, dass sie von der Polizei nicht ernst genommen wurden. Annie hoffte, dass einer der Eingeweihten sich melden und seine Geschichte erzählen würde. Einer, der auf den Quellenschutz vertraute. Einer, der sein Gewissen erleichtern wollte und genügend Einblick und Mut besaß.
    «So viel Verwegenheit findet man nur in den griechischen Sagen», hatte Jan Wikholm gemeint, als Annie ihm ihr Anliegen erläutert hatte. «Diese Gerüchte kursieren schon seit Jahrzehnten, sie sind aber nie bestätigt worden. Ein Gerücht besagt, dass einige Namen mit Verbindungen zum Herrenbund auf der Liste standen, die
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