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Korrupt (German Edition)

Korrupt (German Edition)

Titel: Korrupt (German Edition)
Autoren: Robert Kviby
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die Polizeibehörde an Palme geschickt hat. Darunter waren auch Wirtschaftsbosse und Politiker, die sich der Mädchen in der Bordell-Affäre bedient haben. Diese Sache mit Justizminister Geijer.» Er fuhr sich durchs Haar. «Das war Mitte der siebziger Jahre, als du noch von dem glamourösen Leben als Journalistin geträumt hast und nicht wusstest, dass es so etwas wie Vertuschung überhaupt gibt.» Er lachte spöttisch. «Es gingen Gerüchte über eine Menge Leute um. Wirtschaftsbosse. Ein General. Journalisten und Künstler. Einem Gerücht zufolge hat der Herrenbund dafür gesorgt, dass Geijer und Fälldin und ein paar weitere auf die Liste gekommen sind.»
    «Ohne beteiligt gewesen zu sein?»
    «Man wollte sicher sein, dass die Namen ausreichend lange in einem Tresor weggeschlossen wurden, damit alle tot waren, wenn die Dinge ans Licht kamen. Daher gerieten auch Leute auf die Liste, die dafür sorgen konnten, dass dies geschah.»
    «Eine raffinierte Form der Erpressung.»
    Er nickte. «Zu jener Zeit entstand auch das Gerücht, dass der Herrenbund über einen Befehlsempfänger ganz oben in der Polizeihierarchie verfügte.»
    Nach dieser Bemerkung war Jan Wikholm weitergeeilt, und sie hatte nicht mehr erfahren. Bei Gelegenheit würde sie ihm ihr Material vorlegen, neben dem die Geijer-Affäre ausgesprochen blass aussehen würde.
    Annie blätterte weiter. Sie hatte die Frauen fast ein halbes Jahr lang interviewt, oft mehrmals in der Woche. Manchmal beschlich sie ein mulmiges Gefühl, aber sie war nie bedroht worden. Im Grunde waren die Frauen harmlos und ziemlich kaputt. Wenn sie eine dabei überraschte, wie sie sich gerade einen Schuss setzte, wurde sie verspottet, wenn sie sich abwandte. Die Männer sammelten das Geld ein. Manche ließen die Mädchen dealen und hielten sich fern, wenn Annie in der Nähe war. Sie hörte die Mädchen über sie reden. Am meisten fürchteten sie sich vor einem, den sie Jugo nannten. Die Freier waren leicht zu erkennen, viele kamen immer wieder. Der Architekt, der immer ein Messer dabeihatte, aber nie gewalttätig wurde. Der Taxifreier, der die Mädchen durch die Gegend fuhr. Der alte Chirurg, der keine Medikamente mehr verschreiben durfte und Schlafplätze in seiner Wohnung zur Verfügung stellte, weil er sonst nichts zu bieten hatte. Er fürchtete die Einsamkeit mehr als alles andere. Betrüblich. Diese Menschen begegneten sich in ihrer gemeinsamen Dunkelheit und opferten bei jeder Begegnung ein Stück von sich selbst. So kam es Annie jedenfalls vor.
    «Ich kann mich an jedes Gesicht erinnern», hatte Sissi ihr einmal erklärt. «An den eigentlichen Akt kann ich mich aber nie erinnern. Ich meine, an den Sex. Ich besitze gewissermaßen zwei Persönlichkeiten, eine für die Straße und dann die andere. Ich bin Sissi, wenn ich verkaufe. Nicht einmal Dick, mein Zuhälter, weiß, wie ich wirklich heiße. Ich schalte ab, eine andere Person verkauft den Sex.» Dann hatte sie von verschiedenen Freiern zu erzählen begonnen, wobei die Unterhaltung richtig unheimlich geworden war. Es ging um die geschlossenen Gesellschaften der Oberschicht, um Männer, die stets bekamen, was sie wollten, die Feste veranstalteten und dafür Prostituierte organisierten. Mehr als einmal waren diese Feste ausgeartet. Vor allem ein Mann zeichnete sich durch Gewalttätigkeit aus, und er hatte mehrere Mädchen übel zugerichtet. Der Polizei sei das vollkommen egal, meinte Sissi und deutete an, dass etliche Polizisten korrupt seien und die Mädchen zum Sex ohne Bezahlung zwängen. Andernfalls gäbe es Ärger mit der Behörde. «Es gibt also niemanden, an den man sich wenden kann. Wir erstatten auch nie Anzeige. So gesehen sind wir perfekt. Man kann mit uns machen, was man will, wenn du verstehst. Es stellt kein Risiko dar, über jemanden wie mich herzufallen», hatte sie gesagt und erzählt, sie träume davon, nach Spanien zu ziehen und ein normales Leben mit Mann und Kindern zu führen. Sie hatte sich einen Pass ausstellen lassen, den sie immer bei sich trug. Als Annie sie gefragt hatte, ob sie sich das Passfoto einmal ansehen dürfe, hatte sie verneint und den Pass rasch wieder in ihrer Tasche verschwinden lassen. Im Pass stand ihr richtiger Name, und wie der lautete, durfte niemand auf der Straße erfahren. Denn dann war der Zauber gebrochen. Der Pass sei ihr Amulett, sagte sie. Sie mache sich nie Sorgen um die Zukunft. Sie sagte immer, alles werde gut.
    «Du machst dir mehr Sorgen als ich», hatte Sissi einmal
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