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Kopfjagd

Kopfjagd

Titel: Kopfjagd
Autoren: Jack Higgins
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das Gefühl,
daß die Unterhaltung zu persönlich wurde, deshalb leerte ich
mein Glas und stellte es auf das Büffet. »Ich mache mich
jetzt lieber auf den Weg.«
      »Aber gewiß doch. Aber
Sie brauchen auch noch etwas Geld.« Er holte seine Brieftasche
hervor und zählte hundert Pesos in Zehn-Peso-Scheinen ab.
»Wenn alles problemlos vonstatten geht, sollten Sie morgen abend
wieder hier sein.«
    Jetzt sah er wieder ziemlich zufrieden mit sich
selbst aus, und das stand ihm nicht besonders gut. Ich stopfte das Geld
nachlässig in meine Jackentasche und sagte: »Mich, Mr.
Janos, hat mein bisheriges Leben vor allem eines gelehrt: Alles, was
passieren kann, passiert normalerweise auch.«
      Sein Gesicht nahm einen echten und
augenblicklichen Ausdruck von Trauer an. Wie ich noch entdecken sollte,
war seine einzige wirklich große Schwäche ein
ausgeprägter Aberglaube. Ich lachte laut auf, drehte mich um und
marschierte hinaus. Ein kleiner Sieg – möglicherweise
– aber immerhin etwas.

    Ich war achtzehn Jahre alt, als ich zum ersten
Mal Menschen sterben sah. Das war zu Ostern 1916, als ein
beträchtlicher Teil Dublins in Flammen aufging. Eine Handvoll
Freiwilliger hatte beschlossen, der britischen Armee mal tüchtig
einzuheizen.
      Und ich, Emmet Keogh, war einer von
ihnen. Noch lange nicht meinen Büchern am Chirurgenkolleg
entwachsen, noch jung genug, um an eine Sache zu glauben –
irgendeine Sache –, für die es sich sogar zu sterben lohnte.
Den Kolben eines Martinikarabiners umklammernd, schwitzte ich in der
schlechtsitzenden grünen Uniform und drückte mich an das
Fenster eines Büros in Jacobs Keksfabrik. Ein wahrhaft heroischer
Ort zum Sterben! Wir warteten auf die Tommies aus den Portobello
Baracks, die uns finden sollten. Und das taten sie dann auch früh
genug.
      Während einer kleinen
Verschnaufpause in dem Unternehmen kam eine Millsbombe zum Fenster
hereingeflogen und kullerte genau bis zur Mitte des Büros, in dem
reger Betrieb herrschte. Wir waren sechs, die mit diesem Dings
gemeinsam in die Luft fliegen sollten, aber es ging erst los, als ich
es schon wieder zurückgeworfen hatte, mitten hinein in den Trupp,
der sich ausgerechnet diesen Augenblick zum Sturm über den Hof
ausgesucht hatte.
    Leben, oder auch der Tod, waren also immer nur
reine Zufälle, so oder so. Es kam auf den Zeitpunkt und das
nötige Glück an, auf sonst gar nichts. Meinetwegen. Es war
zweifellos dieser Tag, an dem ich begann, nicht nur meine Handlungen,
sondern auch mein Denken dieser Erfahrung anzupassen. Janos war, was
mich anging, der Wahrheit näher gewesen, als er ahnen konnte.
      Die ersten paar Meilen
außerhalb von Bonito war die Straße gar nicht schlecht. Sie
war sogar irgendwann in letzter Zeit mit Blechplatten unterlegt worden.
Die Strecke war nur nicht sehr lang, bald wurde wieder die übliche
Hinterlandstraße daraus, so dreckig und staubig und voller
Schlaglöcher, daß es unmöglich war, schneller als
fünfundzwanzig Meilen zu fahren, wenn einem sein Leben und seine
LKW-Achse lieb waren.
      In der Ferne waberten wieder die
Sierras in der flirrenden Hitze des Nachmittags. Ich fuhr direkt auf
sie zu, in sie hinein. In leicht nordwestlicher Richtung stieg eine
große weiße Staubwolke vom lockeren Boden hoch und bedeckte
alles mit einem feinen Schleier, mich eingeschlossen.
      Eine flache braune Ebene erstreckte
sich zu beiden Seiten, soweit das Auge reichte. Sie war gesprenkelt mit
Dornbüschen, Moskitoschwärmen und Akazien. Ich war
mutterseelenallein weit und breit auf einer Straße ins Nichts, in
einem Land, das von der Sonne ausgedörrt war und abgeschieden von
allem seit Anbeginn der Zeiten.
      Lieber Gott, und da hatte es Zeiten
gegeben, in denen ich für mein eigenes Land gelitten hatte,
für das Meer und die Berge von Kerry mit grünem Gras, weichem
Regen und fuchsienbewachsenen staubigen Hecken. Wir nannten sie die
Tränen Gottes.
    Die ganze erste Stunde meiner Fahrt begegnete ich
nichts Lebendigem. Dann wurde ein Punkt in der Ferne zu einer
Ziegenherde, die ein alter Mann und zwei Knaben hüteten,
barfuß, zerlumpt und so entsetzlich arm, daß selbst ihre
Strohhüte schon in ihre Bestandteile zu zerfallen begannen. Sie
standen da und glotzten mich an, mit leeren Gesichtern, ohne auch nur
eine Bewegung zu machen oder ein Zeichen zu geben, einfach mit der
düsteren Verzweiflung derer, die wahrhaft ohne jede Hoffnung sind.
      Eine oder zwei Meilen danach hielt
ich an, um meine Jacke
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