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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6
Autoren: H. J. Alpers
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machen.“
    Neil blickte sich um. „Macht es irgendeinem von euch etwas aus?“
    Niemand antwortete ihm. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, eine Orgie zu inszenieren. Es waren nicht länger Gestalten aus einem Gemälde von Renoir, auch nicht von Maxfield Parrish. Neil fühlte sich an das Höllenpaneel aus dem „Garten der irdischen Lüste“ von Hieronymus Bosch erinnert.
    Electra fauchte ihn an: „Wenn du keine Lust hast, dann finde ich schon jemand anders!“
    Angewidert wandte sie sich ab und warf sich auf Capricorn, der gerade damit beschäftigt war, ein Stück Fleisch aus der Flanke des Sauriers zu schneiden. Er fing sie auf und drückte sie rücklings über den riesigen Kadaver.
    „Nein“, sagte Neil, „es macht wohl keinem von euch etwas aus.“
    Alles, was ihnen wichtig war, war irgendeine neue Aufregung, um ihre Langeweile zu lindern: ein Fremder, eine alte Kunstform, ein wenig Blut und Getöse. Was würde wohl als nächstes kommen? Was würde wohl passieren, fragte er sich, wenn ihr Maskottchen aus dem zwanzigsten Jahrhundert anfangen würde, sie zu langweilen? Die auf der Hand liegenden Möglichkeiten jagten ihm eisigen Schauer durch Mark und Bein.
    Er merkte, wie er den Strand entlanglief, zurück zu seinem Scout. Er war schon fast am Wagen, als ihm das unfertige Gemälde von Hero einfiel, das immer noch am Wasser stand. Er lief darauf zu und sammelte den Stapel Skizzen ein, den Hero auf die Kühlerhaube gelegt hatte.
    Er brauchte also neue Visionen. Gut, bei Gott, jetzt hatte er eine. Er wünschte sich, daß er sie nicht hätte, bei Gott … ein Tanguy-Strand und eine Bosch-Orgie und Dutzende von leuchtenden Gesichtern vom Ende der Welt. Sie würden ihn wohl den Rest seines Lebens noch heimsuchen. Er hoffte, daß Connie in der Lage war, es mit seinen Alpträumen aufzunehmen, daß das Publikum verkraften konnte, was er auf die Leinwand bringen würde.
    Er startete den Motor und legte den Vierradantrieb mit einem Fußtritt ein. Mit Visionen, die ihm vom Kopf bis hinab in die Fingerspitzen brannten, lenkte er den Scout zurück, über die Dünen, in die Zeit.

 
Kevin O’Donnell Jr.
Marchianna
MARCHIANNA
     
    Sie erwachte mit Musik. Jeden Morgen sang ihr Wecker um sieben Uhr dreißig, und er ging zehn Minuten vor, wie sie es ihm befohlen hatte. In diesem Stück gestohlener Zeit sammelte sie ihre Gedanken, bevor sie sich zu ihrer Morgenroutine ins Badezimmer begab.
    Dann wollte sie, mit schweren Trittflächen über den Wohnzimmerteppich stampfend, in die Kammer. Sie sprang hinein, um ihr Inneres in der Pfütze aus heißem Öl zu duschen. Köstliche Augenblicke lang wirbelte sie umher und tauchte in der zähen Flüssigkeit unter. Doch die Zeit schritt voran, und so rollte sie mit einem Anlauf die Rampe hoch und schüttelte ihren Plattenpanzer; dabei verspritzte sie die glänzende Flüssigkeit in alle Richtungen. Nun zum Spiegel.
    Er stand in der Küche. Er bedeckte vier Wände und die Decke und hüllte sie in seine nahtlose, silbrige Allgegenwärtigkeit. Aus jedem Blickwinkel sahen unendlich viele untersetzte, klobige Marchiannas, zu Reihen aufgestellt, sie an, erfreuten sie. Die Lichter kräuselten sich auf ihrem Panzer und luden ihre Schaltungen für die Tagesroute durch den Schürfgürtel auf.
    Doch zunächst das Frühstück. Nicht für sich, nein – Marchianna aß stets al fresco, indem sie sich leicht an den stahlgrauen Mantel des Prospektorschiffs klammerte und Sonnenstrahlen einsog –, sondern für ihn, Nakamura-san, ihren Herrn, ihren Eigentümer … ihren Gott.
    Als die Schranktüren auf ihre Funkbefehle hin aufschwangen, brachen sich die Bilder. Getrockneter Fisch und Seetang und Bohnenquark und Reis. Sie rief einen Tisch aus dem Fußboden ab und stellte alles darauf. Ihre Uhr zeigte 7:51:38; in genau acht Minuten und zweiundzwanzig Sekunden würde Nakamura-san erwarten, daß er sich vor sein dampfendes Mahl setzen konnte. Und er war pünktlich. Sehr pünktlich. Es gab Augenblicke, da fragte sie sich, wer von ihnen eigentlich die Maschine und wer der Mensch war. Tee, ach ja, grüner Tee. Blätter, die in eine zerbrechliche blaue Kanne geschüttet wurden, die ständig von ihren narbigen Titangreifern gefährdet zu sein schien.
    Eine weitere Verkleidung sprang auf, und eine Million Marchiannas verschwanden. In der Nische wartete das Becken, kahl und funktional. Sie nahm es nicht gern wahr. Wie sie selbst, war es eine Einrichtung, die dem Menschen Annehmlichkeiten geben sollte, doch es war
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