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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6
Autoren: H. J. Alpers
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verkaufen oder sie in einen Eisschrank umbauen, wenn er dies wünschte, denn ein Mensch schuldete seinem Eigentum nichts, überhaupt nichts.
    Und doch liebte sie, tief und wahr, und konnte nichts dagegen tun.
    Sie wollte auch nichts dagegen tun. Sie genoß es, wie ihr Wechselstromgenerator stets eine zusätzliche Periode pro Sekunde zulegte, sobald sich Nakamura-san näherte. Sie schwelgte im Absinken der Widerstände ihrer Gehorsamsschaltungen, wenn er sich räusperte. Und es entzückte sie maßlos, wenn ihr Funktionsselektor ihr, wann immer sie etwas beendet hatte, eine Aufgabe stellte, deren Erfüllung seine Mikrowellenplatte in zustimmende Bewegung versetzen würde. Sie liebte ihn, und sie war froh.
    Sie war auch neugierig, denn sie wußte, daß Liebe ihr fremd sein sollte. Die Fabrik hatte ihr nicht diese Fähigkeit eingebaut. Drei Herren hatte sie gedient, Hunderten von Menschen war sie begegnet, ohne daß jemals auch nur ein leichtes Flackern von ‚Liebe’ aufgekommen wäre. Dann war sie eines Morgens aus dem Schlaf aufgewacht (sie nannte es Schlaf, obwohl es eher eine Periode der Energieeinsparung, der Informationsergänzung und der Schaltungsüberprüfung war), hatte seine Stimme gehört, sein Gesicht gesehen, und die Flamme war hoch in ihr aufgelodert.
    „Marchianna“, rief er ungeduldig und löste damit einen Feedback-Effekt aus, der sie wie das Nachbeben eines Orgasmus durchzuckte, „es ist Zeit.“
    „Hai!“ Mit schnurrenden Schaltungen verließ sie die Küche und folgte ihm, im respektvollen Abstand von drei Metern, durch die plastikvertäfelten Korridore, die sich auf die Oberfläche des Asteroiden zu dem hitzevernarbten Hektar hin öffneten, wo das unansehnliche Schiff festgemacht war. Sie rumpelte dahin und sprang über die Unregelmäßigkeiten. Das Gravitationsfeld wurde an diesen Stellen schwächer, und das bedeutete, daß die Ablagerungen sich dort wieder verdickten. Es war ungünstig, daß sich die Reaktormasse auf der Rampe abkühlte und auskristallisierte. Bald würde sie sie wieder abkratzen müssen. Das würde sie, zu ihrem Unglück, von Nakamura-san fernhalten, obwohl es ihm Freude bereiten würde. Die Reinigung, nicht die Trennung. Wenn die Oberfläche zu rauh war, konnte das Schiff beim Landen auseinanderbrechen.
    Es war ein monströses Ding, beinahe würfelförmig, mit einer Kante von fünfhundert Metern. Von Röhren und Bolzen überzogen, dazwischen leere Räume, hatte die Karakai Maru eine Vierteltrillion Yen gekostet. Es würden noch weitere zwanzig Jahre vergehen, bevor sie sich amortisiert hatte.
    Nakamura-san fuhr in einem Lift zur Brücke hinauf, wo er seinen Schutzanzug ausziehen würde und sich an seiner hemdsärmeligen Umgebung erfreuen konnte; sie bestieg einen anderen Lift, der sie zur Zentrifuge beförderte.
    Sie hatte gerade die Kontrollen beendet, als die Stimme in ihrem Funkgerät erklang: „Kabel ab, Fusionsantrieb an; festhalten!“
    „Ja, Herr“, erwiderte sie und vibrierte dann in Resonanz mit dem Schiff, das aus seinem Heck gasförmige, übererhitzte Reaktormasse ausspie. Das Vakuum verhindert jedes Geräusch, doch sie stellte sich oft vor, daß das Triebwerk in einer Atmosphäre gebrüllt, daß es aufgeheult und im Umkreis von hundert Kilometern jedes Ohr betäubt hätte. Sie hielt sich eisern an ihrer Haltestange fest und beobachtete, wie ein Bolzen einen Stern verdeckte; er zuckte wie ein Signal, an-aus, an-aus … „Die Zentrifuge ist abgekühlt, Herr“, funkte sie, als sie den Asteroiden weit hinter sich gelassen hatten.
    „Dann bring den Zylinder aus. Du weißt, was du zu tun hast.“
    Sein barscher Tonfall verletzte sie; dies war ungewöhnlich für ihn. Aber er hatte es schwer im selbsterwählten Exil im Asteroidengürtel. Er lebte am Rande des Nirgendwo, Millionen von Kilometern von seinen Freunden, von seinem Zuhause entfernt. Sie wußte, wie einsam er war. Sie mußte Zugeständnisse machen.
    Sonnenlicht, so fein wie Morgennebel, zog über ihre Beschichtung. Ihre Photozellen sammelten und verwandelten es ebenso sicher in Leben wie die Haut einer Namibechse den Tau trinkt, der sich auf ihr ablagert. Sie wählte ihre Strecke so, daß sie die Schatten vermied. Aufgeladene Batterien versetzten sie in Hochstimmung.
    Mit einer Beweglichkeit, die für ihre Größe und Gestalt erstaunlich war, öffnete sie die Hülle der vierzig Meter langen Zentrifugenröhre und funkte den Kranen den Befehl, das verfestigte Metall herauszubugsieren. Auf ihrer letzten
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