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Kontrollverlust - Kontrollverlust

Kontrollverlust - Kontrollverlust

Titel: Kontrollverlust - Kontrollverlust
Autoren: Christian Gude
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Nacken und Rücken. Die gesamte Gondel verschwand allmählich in einer beißenden Rauchwolke, die in ihren Bronchien brannte wie Giftgas. Vince Stark konnte seinen Partner nicht mehr sehen. Allmählich erkannte er seine Kontur wieder, Will Weedle kroch auf den Knien auf ihn zu, ließ seinen Kopf verzweifelt in Starks Schoß fallen, ohne die Hände von den Ohren zu nehmen.

    Ein Schlag ging durch die Gondel, Stark blickte auf. Die Antimaterie-Projektile, mit denen Delgado sie aus dem Labor heraus beschoss, hatten eines der beiden Tragseile beschädigt. Drei Viertel der stählernen Litzen waren glatt durchtrennt, die Enden spleißten unter der Zuglast auf und standen ab wie die Borsten einer alten Drahtbürste. Die verbliebenen Drähte hielten der Belastung nicht stand, jedes Mal, wenn einer riss, ging ein kleiner Ruck durch die Gondel.

    Weedle sah ihn flehend an, starr vor Angst. ›Ist schon gut‹, dachte Stark. ›Ich bring dich hier wieder runter, mach dir keine Sorgen‹. Und zum ersten Mal in seinem Leben erkannte er, dass Heldentum ein Kind der Verzweiflung war. So lange er sich für seinen neuen Partner verantwortlich fühlte, musste er sich seiner eigenen Todesangst nicht stellen.

     
    Rünz hielt inne und setzte die Flasche an. Der Darmstädter Office-Tower an der Ecke Rheinstraße/Neckarstraße war eigentlich nicht mal fünfzig Meter hoch und eher die Persiflage eines Hochhauses – aber darauf kam es jetzt auch nicht mehr an, schließlich hatte er an anderer Stelle schon das Woogsviertel atmosphärisch irgendwo zwischen Miami Beach und dem Hafenviertel von Marseille verortet.
    Nein, viel wichtiger war ein anderer Aspekt. Er kam sich etwas schäbig vor, Breckers nur knapp verhinderten Amoklauf als Vorlage und Inspiration für den Showdown seines Thrillers zu verwenden. Andererseits – so beruhigte er sein Gewissen – würdigte er seinen Schwager über alle Maßen, indem er ihn in einem der ganz großen zukünftigen Erfolge deutscher Nachkriegsliteratur verewigte. In fünfzig Jahren, wenn Rünz’ Werk einen Ehrenplatz im Kanon der Literaturgeschichte hatte, würden sich Germanisten mit kriminalistischem Spürsinn die Köpfe heiß diskutieren über die Frage, ob und wie der Schwager des Autors die Vorlage lieferte für diese poetische und blutige Eruption von Gewalt, die den verstörenden Abschluss des Jahrhundertwerkes bildete.
    Rünz schielte auf den Kalender über seinem Schreibtisch. Der Literaturagent hatte sich noch nicht gemeldet. Hatten ihm nach dem vielversprechenden Erstkontakt das Exposé und die Leseproben doch nicht so gefallen? Am Ende hatte Rünz vielleicht etwas überdreht. Diesen Stephenie-Meyer-Vampirmist hätte er besser weggelassen. Letitia plötzlich als untoten Spross einer Blutsaugersippe aus dem Amazonasdelta zu präsentieren – das kratzte doch arg an der Glaubwürdigkeit der ganzen Geschichte.
    Wie konnte er die letzten Zweifel des Literaturagenten ausräumen, sein Skript quasi mit einem Sahnehäubchen dekorieren, die Lektüre zum unwiderstehlichen Genuss machen? Natürlich – alles, was noch fehlte, war eine deftige Sexszene zum Abschluss! Und nicht so einen weichgezeichneten Blümchensex mit Satinbettwäsche à la James Bond. Es sollte richtig zur Sache gehen, er sah sich diesbezüglich der Tradition von de Sade, Henry Miller und Charles Bukowski verpflichtet. Eine Hardcore-Szene war außerdem die ideale Möglichkeit, sich endgültig abzugrenzen von diesen biederen Regiokrimiautoren, die sich schon verwegen vorkamen, wenn sie dem stellvertretenden Bürgermeister ihrer Heimatstadt Zechprellerei andichteten.
    Er schraubte sich ein weiteres Pfungstädter Märzen durch den Pförtner, surfte einige erotische Webseiten ab, um sich in Stimmung zu bringen, und warf alle Skrupel über Bord. Der Rahmen war schnell skizziert – laue Sommernacht auf der Ludwigshöhe, abendlicher Sternenhimmel über der Skyline Darmstadts, prickelnder Champagner, ein kurzer, spritzig-frivoler Wortwechsel zwischen Vince Stark und der von ihren Vampirgenen befreiten Letitia – und dann direkt ran an den Braten.

     
    Die alte Nummer mit den Sternzeichen zog immer. Sie war so weit. Vince Stark warf einen letzten Blick über die Silhouette der südhessischen Metropole, dann nahm er ihren Kopf in seine Hände, schob ihr ohne Vorwarnung die Zunge zwischen die Zähne und bearbeitete ihr Zäpfchen wie ein Mittelgewichtler die Boxbirne. Er hatte sie jetzt genau da, wo er sie haben wollte. Ihre Nippel waren hart
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