Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kontrollverlust - Kontrollverlust

Kontrollverlust - Kontrollverlust

Titel: Kontrollverlust - Kontrollverlust
Autoren: Christian Gude
Vom Netzwerk:
Oberstübchen eine konsistente, logische Kette aufzubauen. Von den geschätzten einhunderttausend Unternehmensberatern in Frankfurt hatte Hoven ausgerechnet den engagiert, der Brecker die Frau ausgespannt hatte. Er war drauf und dran, Breckers private und berufliche Existenz zu vernichten, und Brecker gehörte nicht zu den Typen, die solche Kränkungen beim Gesprächskreis in der Männergruppe verarbeiteten. Dieser Weiler hatte ein akutes Sicherheitsproblem, und er schien nichts davon zu ahnen.
    Er spähte wieder konzentriert aus dem Fenster. Im GE-Turm gegenüber schien sich auf gleicher Höhe die Glasfassade kaum merklich zu verändern, Vibrationen brachten die glatten Flächen in Schwingungen, das riesige Spiegelbild, in dem sie den SkyRise-Turm sahen, verschwamm. Die beiden Fensterputzer traten erschrocken zurück von der Glasfläche, soweit es ihre schmale Aluminiumgondel erlaubte. Rünz traf einen Entschluss und sprach einen Satz in sein Handy   – laut, klar und deutlich, sodass alle im Raum ihn verstehen konnten.

     
    »SAG IHM, DASS KEVIN HIER IST!«

     
    Danach beendete er das Gespräch und wandte sich an die Anwesenden. Er musste sich beherrschen, damit nicht Panik in seiner Stimme durchschimmerte. Ganz entspannt und locker sollte die Aufforderung klingen, wie eine Einladung zu einem Nachmittagskaffee.
    »Ich glaube, wir sollten jetzt alle das Gebäude verlassen.«

     

     

     

     

43

    Superidee, dachte Wedel. Soll ich Brecker vielleicht eine SMS schicken und dann die Antwort abwarten? Da er kein besseres Einbruchswerkzeug gefunden hatte, nahm er den Feuerlöscher wieder zur Hand und begann, die Bürotür zu bearbeiten, rammte die rote Stahlflasche mit dem Boden voran immer wieder gegen das Türblatt, direkt neben dem Schlosskasten, zehn-, zwölf-, fünfzehnmal, der enge Flur erlaubte ihm nicht, weit auszuholen. Irgendwann gab das Schließblech nach und flog mitsamt dem Türblatt krachend aus dem Rahmen. Wedel ließ den Feuerlöscher fallen und sah den stählernen Racheengel, das mächtige, rotierende Laufbündel, seine Ohren klingelten, seine Fußsohlen waren taub von den Vibrationen. Und er sah Brecker, einen gebrochenen, heruntergekommenen, ölverschmierten Berserker mit leerem Blick und der Spitze seines wurstartigen rechten Zeigefingers auf einem roten Schalter.

     

     

     

     

44

    Vince Stark hörte seinen eigenen Herzschlag. Hier oben an der Fassade des Office-Towers, dreihundert Meter über dem heißen Asphalt der Rheinstraße, klang der Lärm der Metropole nur noch wie fernes Meeresrauschen. Die Aluminiumgondel der Fassadenreiniger und die Tarnung mit deren Arbeitskleidung waren der einzige Weg, in die Nähe von Delgados Geheimlabor zu kommen, ohne Verdacht zu erregen. Stark presste den Lauf seiner Ruger an die Stirn, das kalte Metall wirkte beruhigend. Dann steckte er die Waffe in den Overall und blickte zu Weedle, dem die Höhe nicht geheuer schien. Wenn sie Letitia retten wollten, hatten sie nicht mehr viel Zeit. Nur Delgados Plasmatronen-Fibrillator konnte ihre Vampirgene in die DNA eines Sterblichen zurückverwandeln.

    Sie stiegen mit der Gondel langsam nach oben, knapp unter dem dreiundneunzigsten Stockwerk bremste Stark mit der Fernbedienung die elektrische Winde ab. Sie versuchten, durch die Glasfassade in das Labor zu spähen. Plötzlich hörten sie Delgados Stimme, sie schien aus allen Richtungen zu kommen.

     

    »DU KOMMST ZU SPÄT, VINCE STARK!
    DU KOMMST IMMER ZU SPÄT!«

     
    Dann hörten sie die Detonation, eine Explosion, die nicht mehr aufhörte – wie ein Weltuntergang. In der Glasfläche, direkt über ihren Köpfen, bildete sich ein fußballgroßes Loch, aus dem Rauch und gleißend helles Feuer schoss. Die Öffnung erweiterte sich unter ohrenbetäubendem Lärm langsam nach Osten, das ganze Spektakel wirkte, als würde der Office-Tower mit einem riesigen Schweißbrenner von innen heraus horizontal aufgeschnitten. Die beiden Männer in der Aluminiumgondel waren nach wenigen Sekunden taub, ihre Trommelfelle waren geplatzt, sie hatten die Hände an die Ohren gepresst, das Blut rann zwischen ihren Fingern hervor. Die Druckwellen, die im schier endlosen Stakkato ihre Körper durchschüttelten, lähmten ihnen die Atemzentren, sie hechelten wie Hunde in der Sommerhitze. Nach vorne gebeugt knieten sie in ihrer Gondel auf dem Gitterrost, Schauer von Glassplittern regneten auf sie herab, durchdrangen ihre Overalls und hackten ihnen zentimeterlange Wunden in Hinterkopf,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher