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KON-TIKI

KON-TIKI

Titel: KON-TIKI
Autoren: Thor Heyerdahl
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reisen.«
    Ich blieb die Antwort schuldig. Es war spät geworden. Wir erhoben uns. Der alte Gelehrte schlug mir wohlwollend auf die Schulter, als er mich zur Tür begleitete, und versicherte mir, wenn ich Hilfe brauchte, sollte ich nur zu ihm kommen. Er gäbe mir aber den guten Rat, mich entweder auf Polynesien oder auf Südamerika zu spezialisieren und nicht zwei verschiedene Erdteile durcheinanderzubringen. Er wandte sich zum Tisch zurück.
    »Sie haben das bestimmt vergessen«, sagte er und gab mir das Manuskript zurück. Ich sah auf den Titel: »Polynesien und Amerika. Das Problem ihrer Kulturverwandtschaft.« Ich klemmte also mein Manuskript unter den Arm und rauschte die Treppen hinunter, hinaus in den Trubel der Straßen.
    An diesem Abend ging ich aus und klopfte an die Tür einer alten Behausung in einem versteckten Winkel von Greenwich Village. Hier suchte ich immer Zuflucht mit den kleinen Problemen meiner Existenz. Ein schmächtiges Männchen mit langer Nase musterte mich vorsichtig, bevor es mir mit breitem Lächeln die Tür öffnete und mich einließ Er zog mich hinein bis in die kleine Küche, wo er mich Teller und Gabeln aufdecken ließ, wahrend er selbst die Dose mit den unbestimmbaren, aber wohlriechenden eingemachten Früchten öffnete, die er über dem Gas gewärmt hatte.
    »Nett, daß du gekommen bist«, sagte er, »wie geht´s?«
    »Schlecht«, erwiderte ich, »kein Mensch ist auf mein Manuskript neugierig «
    Er füllte die Teller, und wir beschäftigten uns mit ihrem Inhalt »Die Sache ist die«, sagte er, »daß alle, die du aufgesucht hast, nur glauben, du hattest eine beiläufige Idee. Du weißt, wieviel Leute mit merkwürdigen Ideen hier in Amerika auftauchen «.
    »Und noch etwas!« sagte ich.
    »Ja«, sprach er weiter, »die Beweisführung. Sie alle sind Spezialisten und glauben deshalb nicht an eine solche Arbeitsmethode, die in alle Fachgebiete - von der Botanik bis zur Archäologie - hineingreift. Sie begrenzen sich selbst im Umfang ihrer Forschungstätigkeit, um desto konzentrierter in der Tiefe schürfen zu können, um Details zu finden. Die Wissenschaft der Gegenwart fordert, daß jedes Fachgebiet seinen eigenen Boden umgräbt. Man ist es gar nicht mehr gewohnt, daß einer die vielen Teilergebnisse durchsieht, die aus den verschiedenen Gebieten erwachsen, um sie zu einem großen Bild zusammenzusetzen.« Er griff nach einem umfangreichen Manuskript.
    »Schau her«, sagte er, »mein letztes Werk über das Vogelmuster in der chinesischen Bauernstickerei. Es hat mich geschlagene sieben Jahre gekostet, aber jetzt wurde es sofort zum Druck angenommen. Die Zeit fordert Detailstudien.«
    Karl hatte recht. Aber Probleme des Stillen Ozeans zu lösen, ohne sie von allen möglichen Seiten zu beleuchten, bedeutet meiner Meinung nach dasselbe, wie ein Puzzlespiel nur mit Hilfe der Teile, die die gleiche Farbe haben, zusammensetzen zu wollen.
    Wir hoben die Tafel auf, und ich half ihm beim Abwaschen. »Was Neues von der Universität in Chicago?«
    »Nein.«
    »Na, und was sagte heute dein alter Freund vom Museum?« Darauf ging ich ein:
»Er war überhaupt nicht interessiert. Er sagte, solange die Indianer nur offene Flöße hatten, könnte man unmöglich damit rechnen, daß sie die Inseln des Stillen Ozeans je erreicht hätten.«
    Der kleine Mann begann plötzlich aufgeregt an seinem Teller zu reiben.» Ja«, sagte er, »also das war der springende Punkt! Tatsächlich, das ist auch für mich das Hindernis, an die Haltbarkeit deiner Theorie zu glauben.«
    Ich blickte finster auf den kleinen Ethnologen, den ich bisher für einen verschworenen Bundesgenossen gehalten hatte.
    »Aber mißverstehe mich nicht«, beeilte er sich hinzuzusetzten, »einerseits glaube ich, daß du recht hast, aber andererseits leuchtet es so wenig ein. Meine Vogelarbeit stützt ja deine Theorie.«
    »Karl«, sagte ich, »ich bin so sicher, daß die Indianer den Stillen Ozean auf ihren Flößen überquert haben, daß ich bereit bin, ein solches Floß selbst zu bauen und über den Ozean zu fahren, nur um die Möglichkeit zu beweisen.«
    »Ach, du bist ja verrückt!« Mein Freund nahm das als schlechten Scherz und lachte halb erschreckt allein bei der Vorstellung. »Du glaubst also nicht, daß es möglich ist?«
    »Ach, du bist wirklich verrückt! Mit einem Floß?!«
    Er wußte nicht, was er erwidern sollte, und starrte mich nur an, als warte er auf das Lächeln, das den Spuk in nichts auflösen würde. Er fand es nicht. Ich sah
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