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KON-TIKI

KON-TIKI

Titel: KON-TIKI
Autoren: Thor Heyerdahl
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und Stromwirbeln fernhielt, wurden kräftige Taue zwischen den zwei Schonern gespannt, und M. Ahnne begann sein tüchtiges und gefährliches Manövrieren. Der Gezeitenstrom drohte, beide Schoner auf dieselbe Korallenbank zu saugen.
    In der Flut löste sich die »Maoae« aus dem Riff, und die »Tamara« zog sie hinaus auf tiefes Wasser. Aber jetzt schäumten die Wellen durch das Leck in die »Maoae«, die mit höchster Eile ins seichte Wasser der Lagune geschleppt werden mußte. Drei Tage lang lag sie so vor dem Dorf und drohte zu sinken. Tag und Nacht arbeiteten die Pumpen. Die besten Perlentaucher unter unseren Freunden auf der Insel tauchten mit Spieken und Bleiplatten und schlossen die schwersten Schäden, so daß die »Maoae« unter ständigem Pumpen von der »Tamara« zur Schiffswerft auf Tahiti eskortiert werden konnte.
    Als die »Maoae« klar zum Abtransport lag, manövrierte M. Ahnne die »Tamara« zwischen die Korallenbänke in der Lagune und hinüber zur Kon-Tiki-Insel. Das Floß wurde in Schlepp genommen. Dann setzte er Kurs auf offene See, die »Kon-Tiki« im Schlepp und die »Maoae« dicht hinterdrein, so daß die Besatzung gerettet werden konnte, falls die Schäden draußen auf See Überhand nehmen sollten.
    Der Abschied von Raroia war mehr als wehmütig. Alles, was nur Füße hatte, stand an der Mole und spielte und sang unsere Lieblingsmelodien, während das Rettungsboot uns hinaus zur »Tamara« führte.
    In der Mitte hielt Tupuhoe den kleinen Haumata an der Hand. Haumata weinte, und Tränen tropften selbst dem mächtigen Häuptling über die Backen. Es blieb kein Auge trocken drinnen auf der Mole. Aber Gesang und Musik währten, solange wir sie hören konnten, bis die Brandung vom Riff Überhand nahm.
    Die, die da drinnen auf der Mole getreulich standen und sangen, hatten sechs Freunde verloren. Uns entschwanden hundertsiebenundzwanzig. Wortlos standen wir an der Reling der »Tamara«, bis die Mole hinter den Palmen verschwand und die Palmen selbst im Meer versanken. Wir hörten noch die eigenartige Melodie in uns:
    »... Schönes mit uns erleben, so daß wir immer im Geiste zusammenbleiben, selbst wenn ihr wieder in ferne Länder zieht. Lebt wohl.«
    Vier Tage später tauchte Tahiti aus dem Meere auf. Nicht als Perlenreihe von Palmenwipfeln. Als wilde, zerrissene, blaue Berge, hoch in den Himmel getürmt, Wolkenschwärme umgaben sie wie Blumenkränze der Mädchen.
    Als wir uns näherten, unterschieden wir grüne Hänge in den blauen Bergen. Grün in Grün wälzte sich die Üppigkeit des Südens rostrote Felsen und Lehmhänge hinunter, die schließlich in tiefe Täler und Schluchten niederstürzten, um dann hinaus gegen das Meer zu münden. Und schon unterschieden wir schlanke Palmen, dicht an dicht, durch alle Täler und an der Küste entlang, hinter einem goldenen Strand. Tahiti war von Vulkanen aufgebaut. Die waren jetzt erloschen, und die Korallentiere hatten ihr Ringriff um die Insel geschlungen, so daß das Meer sie nicht abtragen konnte.
    An einem frühen Morgen steuerten wir durch eine Öffnung im Riff hinein in den Hafen von Papeete. Vor uns lagen Kirchturmspitzen und rote Ziegeldächer, halb verborgen unter dem Laubwerk von Riesenbäumen und Palmenkronen. Papeete war Tahitis Hauptstadt, die einzige Stadt in Französisch-Ozeanien. Hier war die Stadt der Freude, der Regierungssitz und der Knotenpunkt für allen Verkehr im östlichen Pazifik.
    Als wir in den Hafen kamen, stand die Bevölkerung Tahitis dicht gedrängt und wartete wie eine farbenreiche und lebendige Mauer. Neuigkeiten verbreiten sich mit dem Wind auf Tahiti. Und das Pae-pae, das von Amerika kam, wollten sie alle gesehen haben.
    Die »Kon-Tiki« bekam den Ehrenplatz an der Strandpromenade, Papeetes Bürgermeister hieß uns willkommen, ein kleines Polynesiermädchen überreichte uns einen enormen Strauß von wilden Tahiti-Blumen im Namen der polynesischen Gesellschaft. Und dann kamen junge Mädchen auf uns zu und hängten duftende weiße Kränze um unseren Hals zur Begrüßung auf Tahiti, der Perle der Südsee.
    Ich suchte ein bestimmtes Gesicht in dem Menschengewimmel, meinen alten Adoptivvater aus Tahiti, den Häuptling Teriieroo, den Chef von Tahitis siebzehn eingeborenen Häuptlingen. Er fehlte nicht. Groß und umfangreich und quietschlebendig wie in alten Tagen tauchte er auf und rief: »Terai Mateata!« während er über das breite Angesicht nur so strahlte. Er war alt geworden, aber er war dieselbe prächtige
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