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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee
Autoren: Roger Aeschbacher
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anderen liebte. Dass der andere wartete. Auf sie. Auf Maja. Seine Maja.
    Also wich Maja langsam zurück, schaute Andi an, aus dessen Augen heiße Tränen quollen. Sie wich weiter zurück, immer noch sich selbst umarmend.
    Andi betrachtete die schönste Frau der Welt, wie ein Kind den schönsten Weihnachtsbaum des Universums anschaut, der am 10. Januar aus irgendwelchen ihm unverständlichen Gründen weggeräumt wird.
    Dann löste Maja den Blick. Gab es auf, um Verständnis zu bitten. Drehte sich weg. Langsam, als wolle sie ihm nicht noch mehr wehtun.
    Er schaute ihr noch lange nach. Er betete, sie möge innehalten. Sich umdrehen. Zu ihm umdrehen.
    Sie drehte sich nicht um.
    Dann war sie weg. Verschwunden. Und Andi stand da und fühlte sich, als ob jemand mit einem Schwert seinen Unterleib abgetrennt hätte und alles Blut aus ihm herauslief. Und Andi wurde müde. Wollte nur noch schlafen.

    Schlafen.

    Schlafen.

    SCHLAFEN.

EPILOG
    Zehn Tage nach der Schießerei in Alis Buvette schlug Gianni, der stets fröhlich gelaunte Chef vom ilcaffè den Blick auf. Es war 8 Uhr 40 und die frühen Vögel hatten ihren Espresso bereits getrunken und waren zur Arbeit gegangen. Die Neun-Uhr-Gäste, Verkäuferinnen aus den Innenstadtgeschäften und die motivierten Arbeitslosen, die bei Gianni jeweils eine kurze Pause auf ihrer Suche nach Sinn, Anerkennung und einem guten Job machten, waren noch nicht da. So gönnte Gianni sich selbst eine kleine Pause – er war seit sieben Uhr hier – und las Zeitung. Gianni, der früher nur selten in Tageszeitungen geschaut hatte, verschlang seit der Schießerei in der Buvette alle Blätter, die ihm in die Finger kamen. Er hatte sogar den Blick abonniert, um keine Information zu verpassen.
    Heute war der erste Tag, an dem kein Bericht mehr über den Basler Skandal im Blick erschien. Die Story war zuerst sehr gut gelaufen. Man hatte fröhlich auf die Basler Polizei eingeschlagen. Nun lief die Geschichte aus. Das Zürcher Boulevardblatt schloss deshalb seine Artikelserie mit einem Leitartikel des Sonderkorrespondenten Rolf Danner ab. Dieser hatte ausführlich über die Tat, die Hintergründe und die Auswirkungen der Schießerei berichtet. Nun fasste er nochmals den Abschluss der Ermittlungen zusammen. Windler, der drogensüchtige Chef der Basler Kriminalpolizei, war geschnappt und festgesetzt. Er hatte gesungen. Natürlich nicht ohne vorher eine deutliche Strafmilderung für eine komplette Aussage zu fordern – und zu bekommen. Die Deadly Skull’s, die Rockerbande, war mit Mann und Maus inhaftiert. Ebenso war Perez, der Schaffner des Nachtzugs, in Lyon von Interpol festgenommen worden. Gomez, der Portugiese, der Toni erschossen hatte, war hingegen von einem härteren Schicksal eingeholt worden. Nur drei Tage nach der Schießerei in Alis Buvette war eine verwesende Leiche in einer spärlich möblierten Wohnung in einer Vorstadt von Porto aufgefunden worden. Sie wurde als die sterblichen Überreste von Alvaro Gomez identifiziert. Die Hintermänner des Kokainrings zogen es vor, weiter im Hintergrund zu bleiben und hatten diese unsichere Verbindung zu ihnen vorsichtshalber gekappt, kaum dass Gomez wieder in Portugal war. Das hatten sie gründlich getan. Es gab bisher keinerlei Spuren von Gomez zu seinem Mörder oder seinen Mördern, geschweige denn den Patrons im Hintergrund.
    Der Leitartikel von Rolf Danner endete mit der lapidaren Feststellung, dass wichtige Kontrollen in Basel versagt hätten. Es hätte einfach nicht geschehen dürfen, dass der Chef der Kriminalpolizei so lange ein Despotenregime hatte führen können. In simplen Sätzen schrieb Danner seine Anklage auf. »Warum schritt niemand ein, als Windler im Kokainrausch tobte? Warum konnte er sich als Allmächtiger aufführen? Warum konnte der Kommandant den Polizeiapparat gegen seine eigenen Leute richten?« Dann forderte der Journalist mehr Zivilcourage. Zivilcourage, wie sie der Kommissar Baumer, Wachtmeister Heinzmann und Dr. Regazzoni beispielhaft gezeigt hätten. »Zivilcourage!«, schrieb Danner. »Sie ist besonders auch dann notwendig, wenn man selbst keinen persönlichen Vorteil daraus ziehen kann. Gibt es in einer Gesellschaft keine Zivilcourage, dann leiden alle. Vetternwirtschaft und Gaunerei machen sich breit. Dummheit regiert. Karrieren werden zerstört. Im schlimmsten Fall sterben Unschuldige. Wie beim Bistroskandal. Im schönen kleinen Basel.«
    Gianni fand den Artikel hervorragend. Besonders erstaunlich war, dass sich der
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