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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee
Autoren: Roger Aeschbacher
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stürzenden Stürmer ohne Rücksicht auf eigene Verluste entgegenspringt.
    Windler duckte sich instinktiv, aber die heiße Brühe traf ihn dennoch im Gesicht. Er feuerte einen einzigen brüllenden Schuss in Richtung von Andreas Baumer ab. Dann durchfuhr ihn der Schmerz der verbrühten Haut. Er schrie auf, ließ die Waffe fallen und wollte sich mit beiden Händen ins Gesicht fassen. Doch Heinzmann hatte bereits seinen rechten Arm gepackt und hielt ihn mit verzweifelter Kraft fest. Von der anderen Seite kam Baumer auf ihn geflogen.
    Die Wucht des Angriffs ließ Windler nach hinten fallen. Von Baumer eng umklammert stürzte er zurück, während Heinzmann Windlers linken Unterarm mit bestialischer Kraft in die entgegengesetzte Richtung nach vorn drückte. Windlers Unterarm brach mit schauerlichem Knacken.
    Der kriminelle Chef der Kriminalpolizei brüllte wie ein Tier im Schlachthof, aber es war vorbei.
    Danner sprang auf und packte Windlers Waffe. Er legte sie auf den Kommandanten an und trat zwei Schritte zurück, um in genügendem Abstand zur Gruppe zu kommen, die am Boden lag. Beidhändig zielte er auf den sich am Boden krümmenden Windler und brüllte ihn an: »Waffe weg, Waffe weg!« Dabei hatte Windler gar keine Waffe mehr.
    Der Professor saß derweil starr, mit aufgerissenen Augen und weiß wie ein Leintuch auf seinem Stuhl.
    Heinzmann hob Danner eine Hand entgegen und sprach beruhigend auf ihn ein. »Ganz ruhig, Danner. Es ist vorbei.«
    Endlich merkte es auch der Journalist. Er drehte die Waffe von der Gruppe weg und richtete sie aufs Dach des kleinen Zelts neben der Buvette von Ali, behielt aber den Finger am Abzug. Er starrte auf den mit Kaffee verschmutzten Windler, wollte sichergehen, dass von ihm keine Gefahr mehr ausging. Rolf Danner war bereit, dieses Schwein zu erschießen, wenn es weiter quieken würde.
    Aber von Windler ging keine Gefahr mehr aus. Er hatte sich unter einem letzten tierischen Schrei zusammengezogen, lag jetzt auf der Seite und hielt seinen linken Ellenbogen, der ihn offenbar mehr schmerzte, als die gerötete rechte Seite seines Gesichtes. Das eine Ende seines Seidenschals lag in einer Pfütze und saugte sich mit schmutzigem Wasser voll. Windler wimmerte nur noch.
    Baumer lag daneben. Er sagte: »Ich glaube, ich bin getroffen.«

    *
    Heinzmann, der vom fallenden Windler und von Baumer mit zu Boden gerissen worden war, richtete sich auf. »Wo?«, fragte er seinen Freund. Seine Stimme klang etwa so, wie die eines Zeitung lesenden Vaters, der auf die Bemerkung seines fünfjährigen Kindes reagiert, dieses habe im Himmel ein Flugzeug gesehen.
    »Im Bein«, antwortete Baumer. Seine Stimme klang wie immer.
    »Im Bein?«, wollte Heinzmann wissen. Unaufgeregt. Nicht verängstigt. Einfach so, wie ein Vater, der ohne von der Zeitung aufzublicken, mit dem Kind spricht, das im Spiel innegehalten hat und mit dem Finger in den Himmel zeigt.
    Heinzmann schaute auf die Beine seines Freundes. Der hatte sich ebenfalls in eine sitzende Position aufgerichtet. Das rechte Hosenbein seiner Jeanshose hatte auf Höhe des Oberschenkels ein kleines schwarzgerändertes Loch, aus dem roter Saft langsam hervorquoll. Als Baumer im Erschrecken darüber aufstehen wollte, knickte der Oberschenkel unnatürlich ab und ein Knochensplitter schnitt die Beinarterie. Sofort schoss eine Blutfontäne aus dem Loch in der Hose hervor und platschte auf das teure weiße Baumwollhemd von Versace. Der Schein der Neonröhren im Zelt spiegelte sich in der frischen Blutlache. Dann schoss eine zweite Fontäne heraus.
    Heinzmann stürzte sich auf Baumer, riss ihm seinen Ledergürtel aus der Jeanshose. »Ist nicht schlimm. Ist nicht schlimm«, rief er Baumer zu, aber an der Erregung in seiner Stimme erkannte jeder im Raum, dass es ernst war. Er umwickelte den Oberschenkel oberhalb der spritzenden Wunde mit dem Gürtel und zog ihn brutal an. Baumer schaute ihm nun ruhig dabei zu. Er blickte interessiert, als säße er in einem bequemen Sessel und all dies geschähe nur im Fernsehen.
    Danner stand derweil immer noch da, die Waffe auf die Decke gerichtet. Er starrte auf das Blut und bekam wacklige Knie.
    Dr. Regazzoni saß derweil am Tisch, schaute ins Leere. Es war noch keine Farbe in sein Gesicht zurückgekehrt, und er bekam von all dem nichts mit. Der brüllende Schuss schien ihn fast betäubt zu haben. Er stand offenbar unter Schock, denn sein Kinn zitterte, als hätte er Schüttelfrost. Seine Zähne klapperten.
    Ali war mittlerweile da,
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