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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee
Autoren: Roger Aeschbacher
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Gerichtsmediziner auf dem Weg nach unten zur Toilette begrüßen zu müssen.
    Der Chef der Kriminalpolizei trat an ein Pissoir, summte freudig vor sich hin. Das Lied hieß »Alte Kameraden«. Ein Militärlied, das ihm sein Vater, ein Oberst im Generalstab, beigebracht hatte, noch bevor er in die Rekrutenschule eingerückt war. Als junger Leutnant hatte Windler es dann seinen Rekruten beigebracht und tagelang geübt, um es dann einem sturzbetrunkenen Divisionär, der die Rekrutenschule bei einem Manöver besucht hatte, als Abschiedslied vorzutragen. Kurz nachdem die Grundausbildung abgeschlossen war und noch bevor er in den ersten Wiederholungskurs einrücken musste, hatte Windler seine Beförderung zum Oberleutnant bereits in der Tasche. Die Beförderungsurkunde zierte die Unterschrift desselben Divisionärs. Ein Freund des Vaters.
    Vergnügt schüttete Windler zwei Bier ab. Als er fertig war, suchte er leicht angesäuselt wieder einmal die Pissoirspülung, die es hier nicht mehr gab, seitdem man eines dieser neuen Urimatgeräte eingebaut hatte, die ganz ohne Wasserspülung funktionieren und den Wasserverbrauch senken. Wie perfekt die Welt doch eingerichtet ist, ging es Windler durch den Kopf, und er kehrte über die Maßen glücklich zu seinen Freunden am Stammtisch zurück.
    Nachdem die Tür des Männer-WCs hinter Windler vom Türspanner geschlossen worden war, blieb es zunächst still im Raum. Dann ging die Tür eines der drei Toilettenkabäuschen einen Spalt weit auf, durch den Regazzoni vorsichtig hinausspienzelte. Da alles frei war, traten er und sein alter Studienfreund Werner Schäfer, Doktor der Chemie, aus der Kabine heraus, in die sie sich zuvor eingeschlossen hatten. Dann machten sie sich erneut ans Werk.

    *
    Rolf Danner, Blick-Journalist aus Zürich, saß im Nachtzug Lissabon-Madrid-Lyon. Soeben hatte er die Alufolie von einem selbst gemachten Sandwich entfernt und verschlang es nun ohne große Freude. Dieses kärgliche Mahl war sein Abendessen. Kaffee hatte er keinen mehr in seiner Thermoskanne und einen portugiesischen vom Speisewagen wollte er sich in der Nacht nicht mehr antun.
    Es war bereits die dritte Reise innerhalb von sechs Tagen, die Danner in diesem Nachtzug unternahm. Er hatte sich schon so sehr an dieses ruckelige Fahren gewöhnt, dass sich ihm während längerer Aufenthalte bereits nach wenigen Minuten ein mulmiges Gefühl im Bauch einnistete. Stand der Waggon still, schaukelte es in Danner einfach weiter, als ob der ganze Zug noch führe.
    Es klopfte an die Tür des Abteils. Der Journalist des Zürcher Revolverblattes erhob sich und öffnete. Draußen stand der Kontrolleur. Der begrüßte Danner schon wie einen alten Bekannten. »Olá! Danner. Mein Freund.«
    »Hei, Ricardo. Komm herein.«
    Ricardo Perez, der portugiesische Schaffner, betrat das Abteil und warf seine Mütze auf das Ablagebrettchen am Fenster. Den Saum der umgekehrt liegenden Mütze zierte ein Muster aus speckigen Flecken in der Form von kleinen Flammen. Perez setzte sich ins Abteil, wie wenn er bei einem alten Freund zu Besuch wäre. Tatsächlich schien es Danner selbst, als kenne er Perez schon seit Langem.
    »Endlich eine Minute frei!«, stöhnte Perez. »Was die Touris nicht immer alles brauchen, bis sie im Bett sind.«
    Perez blickte müde aus seinem weichen Gesicht und fuhr sich durch die schwarzen lockigen Haare, die an den Koteletten weiß ausliefen. Er schüttelte den Kopf, schaute sich dann im Abteil um, während sich Danner ihm gegenüber hinsetzte. Perez blickte auf das Notebook, das Danner auf einem Sitz aufgeklappt laufen ließ. »Immer noch am Malochen?«, fragte er. »Wie geht es denn mit deiner Reportage?«
    »Ganz gut. Dank deiner Hilfe habe ich alles Wissenswerte über den Nachtzug von Lissabon erfahren.«
    »Das habe ich doch gern getan«, erwiderte der portugiesische Schaffner. »Weißt du«, fuhr er in akzentfreiem Deutsch fort, »ich hatte zuerst Bedenken, als mir die Direktion mitteilte, dass so ein Schweizer Fuzzi eine Reportage über unseren Zug machen wolle. Na ja, ich dachte, das ist so ein Penner, den ich dann durchfüttern muss.«
    »Aber da hast du dich getäuscht, mein Freund.«
    »Zum Glück!«, rief Perez. »Du bist ganz okay! Bist mir gar nicht auf der Pelle gelegen oder um mich herumgetanzt. Zuerst habe ich ja gedacht, dass du mich mit Fragen löcherst. Aber du bist einfach mitgefahren und hast dir in Ruhe alles angeschaut.«
    »Infobroschüren mit langweiligen Details habe ich von
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