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Kommissar Morry - Ich habe Angst

Kommissar Morry - Ich habe Angst

Titel: Kommissar Morry - Ich habe Angst
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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ist er", sagte Morry tonlos und hielt Vor einem schwarzen Tragegestell an. Er zog das graue Segeltuch zurück. Noch im gleichen Augenblick trat er zur Seite und gab Jack Havard einen Wink.
    Es war kein menschliches Antlitz mehr, das unter der Hülle zum Vorschein kam. Entgeistert prallte Jack Havard von der Bahre zurück. Er wagte keinen Blick mehr auf den entstellten Totenschädel. Grauen, Abscheu und Mitleid stritten sich in seiner Brust.
    „Wie sollte ich ihn noch erkennen, Sir?" murmelte er gepreßt. „Ich habe keine Ahnung, wer das ist."
    Kommissar Morry reichte ihm eine Uhr und zwei Ringe.
    „Wie steht es damit? Können Sie sich daran erinnern, daß Ihr Vetter diese Wertstücke im Besitz hatte?"
    Jack Havard ließ die Ringe prüfend über seine Handfläche gleiten. Ebenso die Uhr. Er nahm sich viel Zeit. Er wollte nichts Falsches sagen.
    „Doch, Sir!" stieß er endlich heiser hervor. „Diese Dinge gehörten meinem Vetter. Ich habe sie oft bei ihm gesehen. Die Steine erkenne ich ganz zuverlässig wieder."
    „Also doch", murmelte Kommissar Morry. „Ich wußte es ja. Ich brauchte zwei Stunden, bis ich mir aus den Bruchstücken des Labors einen Namen bilden konnte. Aber dann war ich auch felsenfest überzeugt, daß ich hier Henry Boswell vor mir hatte."
    Jack Havard drehte sich hastig um und ging auf den Ausgang zu. Er hielt es einfach nicht länger aus zwischen den schwarzen Särgen. Erleichtert atmete er auf, als er wieder auf der Straße stand.
    „Kann ich jetzt gehen?" fragte er.
    „Moment! Ich werde sSie zum Büro fahren", sagte Morry. „Ich werde Ihrem Chef sagen, daß Sie uns einen wertvollen Dienst leisteten und nur deshalb eine Stunde versäumten."
    Jack Havard winkte ab.
    „Ich möchte lieber zu Fuß gehen, Sir. Ich brauche frische Luft."
    Er hatte sich schon ein paar Schritte von dem Dienstwagen entfernt, da kehrte er noch einmal zurück.
    „Verzeihen Sie, Sir", murmelte er. „Ich habe noch eine Frage an Sie."
    „Bitte!"
    Jack Havard atmete tief die frische Luft ein und aus. „Es mag sein, daß Henry ein Luftikus und Tunichtgut war", begann er zögernd. „Aber deshalb mußte er ja noch lange kein Verbrecher sein. Könnten Sie mir nicht endlich sagen, was er begangen hat? Warum wurde er beobachtet? Warum machten Sie Jagd auf ihn, Sir? Warum sollte er verhaftet werden?"
    Kommissar Morry preßte die Lippen zusammen.
    „Ich darf Ihnen über ein schwebendes Verfahren keine Auskunft geben", murmelte er zurückhaltend. „Die Ermittlungen gegen Ihren Vetter waren noch längst nicht abgeschlossen. Wir wissen auch noch nichts über seine Hintermänner. Die Erhebungen gegen sie laufen weiter.
    Übrigens habe ich den Fall wegen persönlicher Arbeitsüberlastung an Inspektor Palmer abgegeben. Setzen Sie sich mit ihm in Verbindung, wenn Sie etwas wissen wollen. Vielleicht kann er Ihnen einen kleinen Anhaltspunkt geben."
    Eine halbe Stunde später traf Jack Havard in seinem Büro ein. Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch, schraubte die Füllfeder auf und nahm eine wichtige Akte zur Hand. Aber schon nach kurzer Zeit ließ er die Blätter wieder sinken. Er war heute einfach nicht in der Lage, sein Arbeitspensum zu erfüllen. Ständig mußte er an seinen Vetter Henry Boswell denken. Er sah ihn auf dem Tragegestell liegen, tot, entsetzlich verstümmelt, ein Selbstmörder, der sein Leben auf gräßliche Weise beendet hatte.
    Was mag ihn nur zu diesem verzweifelten Schritt getrieben haben, überlegte Jack Havard in düsterem Brüten. Die Angst vor der Verhaftung gewiß! Aber trug nicht auch noch etwas anderes entscheidend zu dieser Tragödie bei? Fühlte er sich von irgendeiner Seite bedroht? Wurde er erpreßt? Zwang man ihn zu Verbrechen, die er nicht mehr mitmachen wollte? Jack Havard konnte keine dieser Fragen beantworten. Henry hatte sich nie offen mit ihm ausgesprochen. Er war mit seinem düsteren Geheimnis in den Tod gegangen. Als die Glocke endlich den Feierabend verkündete, war Jack Havard der erste, der eiligst das Büro verließ. Sonst war er nach dem Dienst immer sofort nach Hause gegangen. Heute dachte er keineswegs daran, dies zu tun.
    Er setzte sich in eine kleine Espresso Bar und dachte wieder über das schreckliche Erlebnis der Morgenstunde nach. Ich werde noch in dieser Woche zu Inspektor Palmer gehen, nahm er sich vor. Der Mann muß mir reinen Wein einschenken. Er muß mir sagen, welcher Verbrechen Henry verdächtig war. Die hübsche Bedienung brachte Kaffee und Kuchen. Sie hielt
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