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Kommissar Morry - Endstation Mord

Kommissar Morry - Endstation Mord

Titel: Kommissar Morry - Endstation Mord
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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das bißchen Selbstbewußtsein, über das, er noch verfügte. Hinzu kam, daß er sich wegen seines miserablen Aufzuges schämte. Ich sehe wirklich aus wie ein Landstreicher, überlegte er grimmig. Warum habe ich keine Zeit gefunden, mich noch einmal zu rasieren? Warum bin ich von zu Hause weggegangen, ohne den Anzug gewechselt zu haben?
    „Was trinken Sie?" fragte das Mädchen.
    Er musterte die vielen Flaschen, die auf zwei Regalen hinter dem kleinen, mit vier Barhockern bestückten Bartisch standen. Beste Marken, Spitzensorten. Alles Sachen, die er eigentlich nur dem Namen nach kannte.
    „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, trinke ich gern einen Whisky."
    „Wunderbar", meinte sie und griff nach einer Flasche, die wie ein kostbarer Parfümflakon aussah. „Das trifft auch meinen Geschmack."
    Er setzte sich auf einen der Barhocker und stützte das Kinn in die Hand. Auf diese Weise war es ihm möglich, seinen schmutzigen Kragen notdürftig mit der Hand zu verdecken.
    „Bedienen Sie sich", sagte das Mädchen beim Füllen der Gläser, „da, in dem Kästchen sind Zigaretten."
    Er nickte, griff jedoch noch nicht danach. „Gehört das Haus Ihnen?" fragte er.
    „Ich habe es gemietet."
    „Es muß ein Vermögen kosten."
    Sie blickte ihn erstaunt an. „Jedes Ding hat seinen Preis. Soda?"
    „Ja, aber nicht zuviel", bat er. Er hätte den Whisky lieber pure getrunken, aber er wollte einen klaren Kopf behalten und nicht als Trinker erscheinen.
    Sie schob ihm sein Glas hin. Er legte die Hand darum und erkundigte sich: „Wohnen Sie allein hier?"
    „No, Sir", erwiderte sie. „Ich würde mich zu Tode fürchten. Dieser große Kasten! Der Butler und ein Mädchen wohnen noch hier. Wahrscheinlich schlafen sie schon. Auf Ihr Wohl, Mr. Baker!"
    Er hob das Glas und lächelte ihr unsicher in die Augen. Dann tranken sie.
    „Ich werde ein bißchen Musik machen", meinte Carol und trat an ein Radio, um es anzustellen. Frank tastete ihre schlanke Gestalt mit den Blicken ab. Er suchte nach irgendeinem Mangel an ihrer Figur, nach irgendeinem Handicap, das ihm seine Selbstsicherheit zurückgeben konnte, aber er vermochte nichts dergleichen zu finden. Carol besaß lange, rassige Beine mit schmalen Fesseln. Ihre Proportionen waren so ausgewogen wie die eines Mädchens auf einem Werbeplakat. Als sie zurückkam, setzte sie sich nicht neben ihn, sondern stellte sich wieder hinter den Tisch, so daß er sie dicht gegenüber hatte, sehr nahe, viel zu nahe, als daß ihn das nicht beunruhigt und erregt hätte. Ihre runden, glatten Schultern schimmerten warm im Licht der tiefhängenden Barbeleuchtung. Er fand, daß ihre Lippen einen spöttischen und zugleich sinnlichen Ausdruck hatten, etwas Lockendes, dem man sich nur schwer zu widersetzen vermochte.
    „Kommen wir zur Sache", sagte er und bemühte sich, dem seltsamen Zauber der Stunde nicht zu erliegen. „Warum hat Joe mich eingeladen. Worum geht es. Was wollen Sie von mir?"
    Sie blickte ihn an. Ihre Augen waren sehr groß und von einer schwer bestimmbaren Farbe, eine Mischung von Grün, Grau und Braun. Um die Pupillen herum dominierte ein Kranz von Grün. „Sie sind ein erstaunlich gut aussehender Bursche", sagte sie, als wäre ihr bislang noch keine Gelegenheit gegeben worden, das festzustellen. „Hat Ihnen das schon einmal ein Mädchen gesagt?"
    „Noch keins, das soviel Klasse hatte wie Sie", erwiderte er, über seine eigene Kühnheit erstaunt.
    „Wirklich", sagte sie, ohne die Bemerkung mit einem Dank oder einem Lächeln zu honorieren, „Sie haben einen guten Kopf. Aber man sieht Ihnen trotzdem an, daß Sie mit dem Leben wenig zu beginnen wissen. Seit wann trinken Sie?"
    Es schien, als hätte sie ihm ins Gesicht geschlagen. Seine Mundwinkel zuckten. „Ach, hören Sie doch auf", sagte er unwirsch. „Ist das denn so wichtig? Ja, ich bin ein Trinker, und ich weiß, daß sich diese verdammte Leidenschaft allmählich in meine Züge eingräbt. Wann ich angefangen habe? Vor hundert Jahren. Ich weiß es nicht mehr genau. Ich weiß nur, daß ich das Zeug brauche."
    „Armer Hund", bedauerte das Mädchen.
    Er nahm die Hand vom Kinn. Es war ibm plötzlich egal, ob sie das schmutzige Hemd sah oder nicht. „Sie brauchen mich nicht zu bemitleiden", meinte er schroff.
    „Sie sind zu jung, um auf diese Weise zu enden. Niemand hat das Recht, sein Leben einfach wegzuwerfen."
    Er leerte sein Glas und stellte es hart auf den Tisch. „Ich hatte Gelegenheit, ziemlich rasch zu altern", sagte er und blickte an
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