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Komm

Titel: Komm
Autoren: Janne Teller
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gesprochen werden , schreibt er.
     
    Was nun, wenn jemand über ihn und seine Frau eine Satire schriebe?
    Wie er in den innersten Kreis einheiratete, in einen Verlag? Wie er entschied, welche Autoren er mitnahm, welche nicht? Was er ihnen erzählte und was er verschwieg? Welche Kollegen er beiseitedrängte? Über Frode Jørgensen (nein, nicht über Frode, das weiß keiner, im Übrigen gibt es darüber überhaupt nichts zu wissen). Dann über die endlose Reihe seiner Frauen? Und über die Frau, die ihn nie verlassen wird, weil sie seinen Intellekt für ihre Karriere braucht, die sich aber seit Jahren mit einem anderen Mann trifft? (Denn ist es nicht so? Hat er nicht den Entschluss gefasst, das zu ignorieren? Nein, daran darf er jetzt nicht denken!) Vielleicht auch ein bisschen über Lula? Über Lula, bei der er nicht einzog, weil sie ein Niemand war.
    Würde man es nicht so darstellen?
    Weil Catering kein Geschäft ist. Über das es sich zu sprechen lohnte.
    Aber so war es nicht!
     
    In diesem Land sind wir alle gleich!
    Denk daran, Petra Vinter.
     
    Wenn Namen und andere identifizierbare Fakten fiktionalisiert werden, kann nicht von Inkriminierung gesprochen werden , berichtigt er.
     
    Oder doch?
    Und was ist identifizierbar?
     
    Was nun, wenn es nur eine einzige Dänin gab, die für den UN -Friedensprozess in Morenzao gearbeitet hat, und ein Buch beschreibt eine Dänin, die für den UN -Friedensprozess in Morenzao arbeitet? Und beschreibt sie nicht nur, sondern geht einer Geschichte auf den Grund, die die wirkliche Frau nie zu enthüllen gewillt war?
     
    Auf dem Bildschirm erscheint ein Ausrufezeichen, eine Nachricht ist eingegangen. Er entscheidet sich, mit dem Lesen der Nachricht noch zu warten. Das Magnetzifferblatt zeigt neunzehn Uhr achtunddreißig, es schneit nach wie vor. Er muss sich beeilen, fertig zu werden, damit er aus dem Haus kommt, solange die Züge noch fahren.
     
    Er wählt Veras Nummer, aber der Hörer wird nicht abgenommen, und er legt sofort auf, als sich der Anrufbeantworter in Gang setzt.
     
    Angenommen, die Frau im Buch hieße Susan Sommer, während die Frau in der Wirklichkeit Petra Vinter heißt?

IX
    S ie steht in der Tür und betrachtet den toten Mann. Er ist übel zugerichtet, seine Haut blauschwarz. Obwohl sie lange saubergemacht haben, ist noch überall Blut. Die Sanitäter heben den Mann auf eine Bahre und tragen ihn hinaus. Sie fahren mit Blaulicht und Sirene los. Es ist eine Demonstration. Der Mann ist tot, normalerweise wäre kein Krankenwagen gekommen, selbst wenn eine Chance bestanden hätte, dass er überlebt. Das wissen alle. Sie auch. Sie machen das nur wegen der Wahl und weil der tote Wahlbeobachter der wichtigsten Oppositionspartei angehört und weil es mit der Wahl hier und jetzt vorbei wäre und damit auch mit der Waffenruhe und dem Frieden, wenn es den Anschein hätte, dieser Mord würde hingenommen.
    Sie machen das wegen der laufenden Kameras.
    Und weil die UNO die Krankenwagen hat.
    Sie erfährt von ihrer Suspendierung, als sie ins Büro zurückkommt. Dies sei nicht sein Wunsch, sagt ihr Chef. Aber er könne nicht anders. Die RUWASS wolle sich aus der Wahl zurückziehen, wenn der Mord an ihrem Mann keine Konsequenzen habe.
    »Für dich bedeutet es ja im Grunde nicht viel«, sagt er. »Dein Gehalt wird dir weiter ausbezahlt, und in zwei Monaten solltest du sowieso mit uns allen abgereist sein. Wir sind bloß gezwungen, ein Exempel zu statuieren.«
    Als sie insistierte, hatte er hinzugefügt:
    »Ich kann auch nicht für deine Sicherheit garantieren. Am besten, du verlässt Morenzao sofort.«
     
    »Wenn ich abgereist wäre, würde …« Sie zögert. »Es hätte da aufhören können«, korrigiert sie sich rasch. »Wenn ich da aufgehört hätte.«
    An dieser Stelle wird ihr Gesicht grau, und sie sagt nichts mehr.
     
    Er steht auf und geht zum Fenster. Der Schnee scheint zugenommen zu haben. Er wirbelt aufgeregt herum, es fegt gleichsam über die Dächer und über den Boden, als hätte auch der Wind noch zugenommen. Überall erheben sich Verwehungen, an den Hausmauern, rund um die Laternenpfähle, an den Sprossenkanten der Fenster gegenüber und an seinem eigenen Fenster. Die Scheibe beschlägt vor seinem Mund, und er wischt das Glas mit dem Handrücken sauber.
    Sie hatte die Geschichte nicht ihm erzählt, sondern ihrem Lektor.
    Es ist noch ein anderer da gewesen, aber er weiß nicht mehr, wer. Es war im Zimmer des Lektors. Die beiden saßen am Tisch, er selber
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