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Komm zurueck, Como

Titel: Komm zurueck, Como
Autoren: Steven Winn
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ich konnte, und ließ mich vollständig auf den Boden sinken. Ich konnte Como spüren, ihn beinahe hören und riechen, als er näher schlich, doch ich musste meine Rolle weiterspielen, wenn ich Erfolg haben wollte. Ich musste mich in die Rolle einfinden, wie Schauspieler sagen, alles um mich herum ausschalten und zum hilflosen, bewegungsunfähigen, gefallenen Tier werden. Mein Spiel war nicht ungefährlich– ein Auto könnte jeden Moment aus einer Seitenstraße biegen und den Hügel herunter direkt auf uns zurasen. Doch die Situation hatte auch etwas Friedvolles. Ich gab mich auf und gab gleichzeitig alles diesem Tier, so gut ich konnte. Die Hitze stieg vom Asphalt auf. Der Verkehr der Nineteenth Avenue drang als leises Flüstern an mein Ohr. Der Gestank der Ölflecken um mich herum und der Geruch der Gummireifen der geparkten Fahrzeuge stieg in meine Nase. Seit zweiundzwanzig Jahren lebte ich in diesem Viertel, doch nie hatte ich es auf diese Weise erlebt– mitten auf der Straße flach auf dem Rücken liegend mit Blick auf die Häuserspitzen, die Telefondrähte und den mit Wolken getupften Himmel.
    So langsam wie möglich drehte ich den Kopf zur Seite. Dort stand Como einen halben Meter von mir entfernt und zuckte eifrig mit der Schnauze. Wir blickten uns direkt in die Augen, waren uns so nah wie in den letzten zehn turbulenten Tagen nicht, die er bei uns verbracht hatte. Mit gekrümmten Fingern, um ihn am Halsband zu packen, streckte ich den Arm aus und hatte ihn. Er war wie hypnotisiert und rührte sich nicht vom Fleck. Die Jagd hatte ein Ende. Mit Como auf dem Arm würde ich nach Hause gehen.
    Genauso wäre es passiert, davon war ich überzeugt, wenn nicht ein Gärtner mit seinem Transporter in diesem zeitlich pervers-unpassenden Moment über die Eleventh Avenue auf die Ortega Street gebrettert wäre. Es war das erste Anzeichen von Leben an diesem Morgen. Beim Lärm des knurrenden Motors, der knallenden Federung und der auf der Ladefläche hüpfenden Rechen und Hacken schreckten wir beide auf. Ich zuckte zurück, Como befreite sich mit einem Satz, ich stand hektisch auf und rannte ihm hinterher.
    Als ich keuchend die Eleventh Avenue hinauflief, lastete ein Gedanke wie ein bleiernes Gewicht auf meinen Schultern: Ich würde Como nie einfangen. Bald würde ich meiner Frau Sally und meiner Tochter Phoebe beichten müssen, dass unser neuer Hund fort war. Dass ich ihn entwischen ließ und er die Straße auf Nimmerwiedersehen hinaufgerannt war. Die Schuld lag allein bei mir. Ich hätte durchaus Verständnis dafür, wenn sie mir nie verzeihen würden. Die Luft um mich herum, die ich einatmete, hatte etwas Giftiges und Saures.
    Doch dieser wahnwitzige Morgenlauf durch mein Viertel hatte auch etwas Angenehmes, etwas seltsam Erregendes, was mich immer weitertrieb. Auf die eine oder andere Weise waren wir dem schwer greifbaren Como sehr lange hinterhergejagt. So hoffnungslos meine Chancen auch sein mochten, ich würde jetzt nicht aufgeben. Nach allem, was wir durchgemacht hatten, rannte ich weiter, bis das bleierne Gefühl in meinem Magen zu einem körperlichen Schmerz geschmolzen war, der durch meine Brust bis in meine Kehle und wieder hinab in meine Schenkel floss. Mit diesem Gefühl und dem vor mir rennenden Como, eilte ich immer weiter.

Eins
    Wie es nicht begann
    I ch wollte Ecstasy.
    Die Erfüllung dieses Wunsches war, wie mir schien, der direkte Weg zu den anderen Dingen, die ich ebenfalls wollte. Ich wollte Familienidylle und Gesellschaft. Ich wollte jetzt lachen und später die Geschichten darüber erzählen. Ich wollte Rituale und etwas Neues, das ich im Urlaub fotografieren konnte, einen Grund, rauszugehen, und einen Charmebolzen, der einem die Kontaktaufnahme mit Nachbarn und Fremden erleichterte.
    Ich wollte eine zwölfjährige Tochter jenseits all dessen, was sie sich geduldig vorgestellt hatte, glücklich und zufrieden machen, wollte eine Ehefrau, die mich im gegenseitigen Glanz einer erfüllten ehelichen Mission anstrahlte. Ich wollte Versöhnungen und Trennungen– und dann noch fröhlichere Versöhnungen, eine Lösung für meine Anfälle von Einsamkeit und Isolation. Und ein Ende dieser endlosen Suche.
    Doch am allermeisten, aus all diesen und weiteren Gründen, wollte ich Ecstasy– ganz plötzlich, unmissverständlich und unabdingbar.
    Und Ecstasy gab es– in der unvergleichlichen Gestalt einer Hündin, die vom Betonboden durch den Zaun eines Tierheims in Redwood City in Kalifornien zu mir aufblickte.
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