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Komm mit mir nach Caracas

Komm mit mir nach Caracas

Titel: Komm mit mir nach Caracas
Autoren: Lynne Graham
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um ihr aus dem Mantel zu helfen, erklärte der Arzt lächelnd: „Sie sind hier der Star, nicht er."
    Die Schwester maß ihren Blutdruck. Polly fragte sich, warum die beiden so ernste Mienen machten.
    „Sie müssen sich schonen, Polly", sagte der Arzt leise. „Ich möchte Ihnen ein leichtes Beruhigungsmittel geben und anschließend eine Ultraschalluntersuchung machen. Sind Sie damit einverstanden?"
    „Nein, ich möchte nach Hause", entgegnete sie ängstlich.
    Die Stimmen verstummten, und schließlich riss der Klang von Rauls tiefer Stimme sie aus ihren Gedanken. „Polly, bitte lass die Ärzte tun, was sie tun müssen", bat er eindringlich.
    Polly öffnete die Augen und blickte ihn an. Sie konnte ihn nicht deutlich erkennen.
    „Ich traue dir nicht ... und ihnen auch nicht... Du kennst ihn!"
    Trotz ihres Zustands sah sie, dass er blass wurde und seine Miene sich verhärtete.
    „Du musst ihm vertrauen. Er ist ein hervorragender Gynäkologe ..."
    „Er ist ein Freund von dir."
    „Si, pero ... ja, aber er ist auch Arzt", erwiderte er nachdrücklich.
    „Ich möchte nicht einschlafen und in Venezuela aufwachen ... Glaubst du, ich wüsste nicht, wozu du fähig bist, wenn du wütend bist?" brachte sie mühsam hervor.
    „Ich habe noch nie das Gesetz gebrochen!"
    „Du würdest es aber tun, um das Baby zu bekommen."
    Einen Moment lang herrschte spannungsgeladenes Schweigen.
    Raul betrachtete sie mit einem unergründlichen Ausdruck in den Augen, doch sie wusste, dass sie ihn getroffen hatte.
    „Es geht dir nicht gut, Polly. Wenn du mir schon nicht vertraust, dann denk wenigstens an das Baby", sagte er mit bebender Stimme.
    Polly nickte, mied allerdings seinen Blick. Kurz darauf spürte sie einen Piekser, und dann wurde sie noch müder.
    Während Polly sich in einem Zustand angenehmer Schwerelosigkeit befand, schienen die schlimmsten Augenblicke ihres Lebens noch einmal vor ihrem geistigen Auge abzulaufen.
    Ihre früheste Erinnerung war, dass ihr Vater ihre Mutter anschrie und diese weinte.
    Als sie, Polly, sieben Jahre alt war, war sie eines Morgens aufgestanden, und ihre Mutter war nicht mehr da gewesen. Als sie ihrem Vater Fragen stellte, bekam er einen Wutanfall. Kurz darauf brachte er sie bei ihrer Patentante unter, die ihr erzählte, Leah, ihre Mutter, sei mit einem anderen Mann weggelaufen und würde sich nun scheiden lassen. Irgendwann würde sie sie hoffentlich besuchen.
    Leah kam jedoch nicht, und sie, Polly, wurde von ihrer Patentante großgezogen.
    Erst als sie zwanzig war und sie einige Tage nach der Beerdigung ihres Vaters seine Unterlagen sichtete, fand sie die Briefe, die ihre Mutter ihm geschickt hatte.
    Leah war nach New York gegangen und hatte ihren Geliebten irgendwann geheiratet. Sie war ein halbes Dutzend Mal nach England geflogen, um sie zu sehen, doch ihr Exmann hatte es unter anderem dadurch verhindert, dass er sie, Polly, in ein Internat gesteckt und ihren Aufenthaltsort geheim gehalten hatte. Sie war entsetzt, aber auch überglücklich angesichts der Tatsache, dass ihre Mutter sie entgegen den Behauptungen ihres Vaters wirklich geliebt hatte.
    In New York traf sie ihre Mutter dann wieder. Ihr Mann war im Vorjahr gestorben, und Leah war vorzeitig gealtert, schwer herzkrank und lebte von Sozialhilfe. Von dem behandelnden Arzt hatte sie, Polly, erfahren, dass ihre Mutter noch eine Überlebenschance hatte, wenn sie von einem weltbekannten Spezialisten operiert würde.
    Allerdings wäre dieser Eingriff sehr kostspielig.
    In meinem Leben ist es immer nur auf und ab gegangen, aber meistens habe ich Pech gehabt, dachte Polly.
    Und dann war sie Raul begegnet, und zwar bei einem ihrer täglichen Spaziergänge in den Wäldern von Vermont, wo sie Soledads übertriebener Fürsorge entfliehen und in Ruhe um ihre Mutter trauern wollte. Trotz seiner Freizeitkleidung war er so schick gewesen, dass er selbst auf dem Rodeo Drive Aufsehen erregt hätte, und seine Überraschung angesichts der Tatsache, jemanden dort zu treffen, hatte sehr echt gewirkt.
    Sie hatte ihm in die Augen gesehen, und sofort war es um sie geschehen gewesen.
    Als er sie angelächelt hatte, hatte sie naiverweise geglaubt, es würde wieder aufwärts gehen. Wie hätte sie auch ahnen sollen, dass es noch schlimmer kommen sollte?
    Als Polly am nächsten Morgen aufwachte, stellte sie fest, dass sie ein hässliches Krankenhausnachthemd trug und in einem Einzelzimmer mit einem eigenen Bad lag.
    Ihr Kopf tat nicht mehr weh, aber sie war immer noch
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