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Komm her, Kleiner

Komm her, Kleiner

Titel: Komm her, Kleiner
Autoren: Lola Lindberg
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gesellt sich gerne, denke ich, denn Annettes Wohnung sieht ähnlich aus.
    Ines Moucheron setzt sich auf ein weißes Sofa und deutet auf den kleinen Tisch neben ihr. „Sie trinken doch einen Tee mit mir?“
    „Also …“ Ich zögere. „Eigentlich wollte ich Ihnen nur schnell die Kette vorbeibringen.“
    „Oh, bitte, tun Sie mir den Gefallen! Ich hasse es, alleine Tee zu trinken. Also?“
    Ich hasse es, alleine ins Kino zu gehen. Also?, hallt es durch meinen Kopf. Entschlossen schiebe ich den Gedanken an Annette beiseite. Stattdessen lächle ich und setze mich. „Dann kann ich wohl nicht nein sagen.“
    Sie lacht perlend und schenkt mir eine Tasse ein. Musik schwebt durch den Raum, sanfte Balladen, die mir vage bekannt vorkommen. Die warme Sommerluft strömt vom Balkon herein. Ich nehme die Tasse mit dem duftenden Tee entgegen. „Danke.“
    Ines deutet auf meine Jeans. „Was haben Sie denn da gemacht?“ Ich folge ihrem Blick – auf meinem linken Oberschenkel zeichnet sich ein feuchter Fleck auf dem abgewetzten Jeansstoff ab. „Oh, entschuldigen Sie!“ Ich stehe schnell auf und begutachte den Rest meiner 501. „Ich habe bei Annette … also, äh, bei Frau Kampen die Fenster geputzt und gar nicht gemerkt, dass meine Hose etwas abbekommen hat!“
    Sie lacht. „Nun setzen Sie sich wieder. Mein Sofa wird es überstehen. Fenster putzen also? Ich wusste nicht, dass Annette Freunde hat, die so etwas für sie machen.“
    „Nun, äh, ich bin nicht direkt ein Freund. Ich bin …“ Ja, Micha, genau: Was bist du für diese Frau? „Ich helfe manchmal bei ihr aus.“
    „Um sich das Studium zu finanzieren?“
    „Ich studiere nicht mehr. Ich arbeite bei … bei einem großen Cateringunternehmen.“ Das klingt besser als Rudis Rennsemmel .
    „Wirklich? Ich hätte darauf schwören können, dass Sie studieren. Sport auf Lehramt – bei Ihrer Figur!“ Sie strahlt mich an.
    Ich grinse zurück. „Danke für das Kompliment. Und was machen Sie?“
    „Ich genieße das Leben.“
    „Davon kann man leben?“
    „Wenn man einen Exmann hat, der dafür aufkommt, sogar ganz besonders gut!“
    Ich stimme in ihr Lachen ein. Wir plaudern entspannt – über den Sommer, über meinen Sport, eine Ballade von George Michael, die gerade läuft, meine Ähnlichkeit mit einem Schauspieler, dessen Name Ines – wie ich sie nach kurzer Zeit nennen soll – im Moment nicht erinnern kann. Dass sie ihren Mann nicht vermisst, aber sich schon manchmal sehr einsam fühlt. Das Männer mit Mitte 30 langweilig werden und ich bitte genau so bleiben soll, wie ich bin.
    Als die Teekanne geleert ist und Ines in die Küche verschwindet, werfe ich einen schnellen Blick auf die Uhr – ich bin schon seit einer Stunde hier! Und ich habe überhaupt keine Lust zu gehen. Ines ist fabelhaft: schön, intelligent, interessiert … geschieden, gutbetucht … Es gibt sicher schlechtere Zeitvertreibe, als mit so einer Frau zu reden. Und auch ein bisschen zu flirten …
    „Michael, darf ich Sie um einen Gefallen bitten?“ Ines steckt den Kopf zur Tür herein. „Ich bin mir nicht sicher, was ich heute Abend anziehen soll. Darf ich’s Ihnen kurz zeigen? Und wollen wir nicht von Tee auf etwas … Erfrischenderes umsteigen?“ Sie hält mir eine Flasche Champagner und zwei Gläser entgegen.
    Ich fühle mich geschmeichelt. „Auf jeden Fall. Gerne.“
    „Wunderbar!“ Sie verschwindet wieder. „Machen Sie schon mal die Flasche auf?“
    Der Champagner ist gut gekühlt. Ich schenke die beiden Gläser ein, nehme meins und gehe auf den Balkon. Die Nachmittagssonne ist immer noch sehr warm. Ob ich Ines nach diesem Besuch wiedersehen werde? Ich trinke einen Schluck. Veuve Clicquot . Den trinkt Annette auch immer.
    Annette.
    Verdammt. Wieso spukt sie mir immer im Kopf herum?
    „Und“, reißt mich Ines’ Stimme aus meinen Gedanken, „was meinen Sie?“
    Ich drehe mich um und verschlucke mich fast. Ines hat einen langen, schimmernden Rock angezogen, der tief auf ihren Hüften sitzt und einen flachen Bauch enthüllt. Dazu trägt sie sehr hohe Schuhe, ein kurzes, halbdurchscheinendes Seidentop, durch das ich ihre Brüste mehr als deutlich sehen kann. Die Haare hat sie hinter die Ohren gestrichen. Sie sieht aus wie einer teuren Modezeitung entsprungen, wie eine sexy Prinzessin aus einem Märchen, das nicht für Kinder geeignet ist.
    „Also … Sie …“ Ich gehe ins Zimmer zurück auf sie zu. „Das ist ganz … Ich find’s gut!“ Und mache mich gerade zum Oberaffen.
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