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Komm her, Kleiner

Komm her, Kleiner

Titel: Komm her, Kleiner
Autoren: Lola Lindberg
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in Falten gelegt, mit den Gedanken bei einer nachmittäglichen Scripted-Reality-Show, in der eine gebeutelte Mutter davon erzählt hat, wie sie die Wahrheit über ihren Sohn erfahren musste: „Erst hat er aufgehört, Mädchen mit nach Hause zu bringen. Dann hat er wie verrückt Sport gemacht. Und dann kamen diese teuren Oberhemden. Ich habe mir gleich gedacht, dass da etwas nicht stimmt. Und dann habe ich ihn in der Stadt gesehen – mit einem Mann!“ Vielleicht sollte ich mir den Spaß erlauben und mal mit Kai bei ihr auftauchen: „Mama, das ist mein Kerl!“ Nein, keine gute Idee. Es würde sie wahrscheinlich sofort ins Grab bringen.
    Die Wahrheit kann ich ihr aber auch schlecht erzählen. „Mama, hör zu, es gibt da diese Frau. Sie ist mehr als doppelt so alt wie ich, sie bezahlt mich dafür, mit ihr auszugehen, und sie sagt schweinische Sachen. Ich finde sie furchtbar und kann trotzdem keine andere Frau mehr anfassen, ohne an sie zu denken.“
    Denn genau so ist es.
    Die Sporthühnchen im Studio langweilen mich schon lange, aber seit Annette in meinem Leben aufgetaucht ist, gibt es dort erschreckend wenig Platz für andere Frauen. Ich habe versucht, etwas dagegen zu tun. Kai hat mich sogar endlich seiner Schwester vorgestellt („Kleine Hetenjungs wie dich frisst sie normalerweise zum Frühstück, aber mei, Hauptsache du wirst überhaupt mal wieder gefressen …“), einem ziemlichen Feger namens Lola. Toller Körper. Augen, in denen immer der Schalk blitzt. Wir sind gemeinsam ausgegangen, Kai hat sich irgendwann verabschiedet, wir sind noch auf einen Absacker zu ihr und ziemlich schnell im Bett gelandet. Am nächsten Morgen musste ich mich sputen, um noch rechtzeitig zur Rennsemmel zu kommen. Die Woche verging wie im Flug: Arbeiten, Sport, die Treffen mit Annette vorbereiten. Sie hatte zu der Zeit besonders viel Stress in der Agentur und wollte mich jeden zweiten Abend sehen, um sich abzulenken. „Sei erreichbar, falls ich anrufen will“, hatte sie gesagt und mir zwei zusätzliche 100-Euro-Scheine in die Hand gedrückt. Irgendwann fiel mir ein, dass ich mich wohl bei Lola melden sollte. Und habe es dann doch nicht getan. Sie war schlau, sie war nett, sie fühlte sich großartig an. Sie war nicht das, was ich brauche.
    Kai hat mich einen unsensiblen Arsch genannt. „Lola ist spitze!“, regte er sich auf. „Und du fickst sie einmal und meldest dich dann nicht mehr.“
    „Es tut mir leid. Scheiße, ist sie sauer?“
    „Wer?“
    „Lola.“
    „Ach was.“ Er musste nun doch grinsen. „Habe ich dir nicht gesagt, dass sie Jungs wie dich zum Frühstück verspeist?“
    „Warum regst du dich dann auf?“
    „Weil dir diese Annette zu Kopf gestiegen ist, deswegen rege ich mich auf. Glenn Close, ja? Hast du Gefährliche Liebschaften gesehen? Dann weißt du ja wohl, wie diese Madame Merteuils sind. Kalt, grausam.“
    „Aber verdammt sexy“, ergänzte ich. Und merkte, dass es genau darum ging: Ich fand Annette kalt und sexy. Anstrengend. Spannend. Widersprüchlich. Aufregend. Wahrscheinlich würde ich sie nie haben können. Aber vielleicht eben doch. Das wäre dann sicher wirklich etwas, auf das ich irgendwann stolz zurückblicken konnte.
    Jetzt noch die Fenster links von der Balkontür.
    Annette … Glenn Close in Gefährliche Liebschaften mit eisigem Blick … Lola, wie ich in dieser Nacht keuchend auf sie hinuntersah … Die Sonne brennt auf meinem Rücken, den Schultern, dem Hinterkopf. John Malkovich ist so wahnsinnig cool, wie er auf dem Rücken der nackten Uma Thurman einen Brief schreibt. Das Wasser ist kühl und läuft immer wieder kitzelnd über meine Arme, tropft auf Brust und Bauch, bahnt sich seinen Weg nach unten, sickert in den Bund meiner Jeans. Annette, wie sie „Für so etwas gibt es Leute wie Sie!“ sagt. Malkovich, wie er antwortet: „Dagegen bin ich machtlos.“
    Ich muss über mich selbst lachen: Da stehe ich auf einem fremden Balkon, putze halbnackt Fenster und merke, wie ich einen Steifen bekomme. Herzlichen Glückwunsch, Micha. Ich lasse mich auf einen der Balkonstühle fallen und sehe in den Himmel. Irgendetwas muss sich ändern, und zwar bald.
    Ich merke, wie ich wütend werde – auf mich, aber vor allen Dingen auf Annette – und wie mein Ständer immer dicker zu werden scheint. Verdammt!
     
    Das Telefon klingelt. Einmal, zweimal, dreimal, dann springt der Anrufbeantworter an. Während Annettes Ansagetext läuft, gehe ich in den Flur, greife nach Papier und Bleistift. Ich habe
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