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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri
Autoren: Jürgen Benvenuti
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hatte gesagt, gut, und Daniel, er fahre für eine Weile nach Amerika, er werde sich aber vorher noch melden, und Karl hatte ihm viel Vergnügen gewünscht, und wie er seinen Freund, Hand in Hand mit dieser seltsamen Frau, hatte davonspazieren sehen, da war ihm plötzlich etwas in den Sinn gekommen und er hatte Daniel noch einmal zurückgerufen, um Gewissheit zu erlangen.
    â€žDu hast die Zeitung vom Laborunfall informiert, richtig?“
    Daniel hatte verschmitzt gelächelt und genickt.
    â€žGab es keine Probleme mit dem Redaktionsschluss? Schließlich war es schon ziemlich spät.“
    â€žWenn ein guter Freund des Redakteurs mit einer guten Geschichte antanzt, was bedeutet da dann noch der Redaktionsschluss?“, hatte Daniel gesagt, gegrinst und sich mit seiner neuen Freundin auf den Weg gemacht.
    In wenigen Augenblicken würde die Polizei anrücken, ihm, Karl, Handschellen anlegen und ihn ins Präsidium bringen, aber erstaunlicherweise machte ihm das, zumindest im Moment, nichts aus. Er war müde und erschöpft und erledigt, aber der Kampf, den er gekämpft und gewonnen hatte, war so gewaltig gewesen, dass ihn die Aussicht auf ein Verhör in einem verrauchten Büro nicht im Geringsten erschreckte.
    Und wie die Sonne so auf ihn herunterbrannte, musste er plötzlich an Rocín denken und das Bild des knochigen alten Kubaners, das sich vor seinem inneren Auge bildete, zauberte ein Lächeln auf seine Lippen und er beschloss, ihm die dreitausendvierhundertundsechs Euro, die er, Karl, in den letzten Monaten angespart hatte, zu schicken in der Hoffnung, Rocín der Verwirklichung seines Traumes von einer eigenen Orchideenfarm ein wenig näher zu bringen. Mehr konnte er, Karl, angesichts seiner Lage, wohl kaum tun.
    â€žDenen hast du es wirklich ordentlich gegeben.“
    Karl hob den Kopf und blinzelte wegen der Sonne, aber trotz der eingeschränkten Sicht wusste er, wer da vor ihm stand.
    â€žTja, Papa“, sagte er, „da könntest du Recht haben.“ Er schaute hinüber zur Fabrik, aus der nach wie vor dünne Gasschwaden drangen. Feuerwehr-, Rettungs- und Polizeiautos mit träge in der Hitze rotierenden Lichtern parkten in der Zufahrt, die Einsatzkräfte standen schwitzend und lachend in kleinen Grüppchen zusammen, alle Aktivitäten liefen eher schaumgebremst ab, ihnen war klar, dass keine Eile mehr geboten, dass die Geschichte gelaufen war.
    Kurz zögerte er, dann setzte sich Albrecht Baumgartner neben seinen Sohn auf den Boden und musterte ihn aus den Augenwinkeln. „Geht’s dir gut?“
    â€žIch bin müde.“
    â€žUnd sonst?“
    â€žUnd sonst? Alles in Ordnung, schätze ich.“
    â€žWie geht’s nun weiter?“
    Karl zuckte mit den Schultern. „Maria wird zu meinen Gunsten aussagen, und da ich ja keine Bombe hatte, passiert mir mit ein bisschen Glück nicht allzu viel.“
    â€žUnd dann, was hast du danach vor?
    â€žIch bin offen für Vorschläge.“
    Karls Vater schaute verlegen zu Boden, druckste ein wenig herum und sagte schließlich: „Na ja, ich dachte, wir könnten uns später mal treffen, zusammen ein Bier trinken und uns unterhalten. Wie klingt das?“
    Karl dachte kurz darüber nach, dann grinste er von einem Ohr zum anderen und sagte: „Klingt gut, Papa.“
    Hoch über ihnen brannte die Sonne vom Himmel.

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