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Koks und Karneval

Koks und Karneval

Titel: Koks und Karneval
Autoren: Thomas Ziegler
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Kawasakis aufröhren und warteten darauf, daß ihr demokratisch gewählter Clubpräsident das Signal zum Angriff gab.
    Um im Karnevalstrubel nicht aufzufallen, trugen sie außer ihren Totschlägern, Eisenstangen und Fahrradketten lustige alte Wehrmachtshelme und angeklebte Adolf-Hitler-Bärtchen. Nur ihr demokratisch gewählter Präsident hatte sich aus einer kindlichen Laune heraus ein geblümtes Hütchen mit batteriebetriebenem Propeller aufgesetzt, und das nicht ohne Grund – Killer war entschlossen, sich gnadenlos zu amüsieren und jeden zu erschlagen, der ihn daran zu hindern wagte.
    Er paffte finster seine Havanna, blickte tückisch drein und freute sich bereits auf die nächsten tätowierten Grabsteine auf seinen baumstammdicken Unterarmen.
    »Präsident! Ey, Präsident!«
    Am Ende der Gasse tauchte eine weitere Kawasaki auf und kam schlingernd zum Halt.
    »Der beknackte Zwerg ist da, Präsident!« schrie Scarface. »Der beknackte Zwerg steht am Dom, Präsident!«
    Die Kamikazes grölten begeistert.
    »Ey, super, ey, einfach tofte, ey!«
    »Plattmachen, ey, sofort plattmachen, ey!«
    »Puttmachen, ey, alle puttmachen, ey!«
    Killer hob ruhegebietend die Hand.
    »Jungs!« brüllte er. »Es ist soweit! Zeigt eurem demokratisch gewählten Präsidenten, was in euch steckt! Macht die Arschgesichter fertig!«
    Zwanzig Motoren heulten auf. Zwanzig Maschinen rollten los. Und aus zwanzig Kehlen donnerte: »Kamikaze!«
    Die Motorradkavallerie brauste Richtung Dom und trieb die Jecken wie aufgescheuchte Hühner vor sich her. Killer lachte brüllend. Was war das Leben doch für ein großartiger Spaß! Er gab noch mehr Gas – und rammte eine laufende Litfaßsäule, die ihm keuchend und auf neuen Socken in die Quere kam. Noch lauter lachend brauste er weiter, dem dichten Narrenpulk unter dem Dom entgegen.
    Spider, der in der Litfaßsäule steckte, spürte einen dumpfen Schlag und kippte sofort um. Die Panzerfaust, die ihm Oberst Molle überlassen hatte, bohrte sich in seine Rippen, und seine latente Gewaltbereitschaft schlug in offene Mordlust um.
    »Meine Fresse!« knirschte er. »Meine Fresse, ich jag’ euch alle in die Luft! Euch alle!«
    Mühsam rappelte er sich auf und spähte durch die Sehschlitze in der Litfaßsäule. Die Kamikazes! Es war also soweit! Der Endkampf um den Kokskoffer begann! Haßerfüllt humpelte er weiter.
    Tätä-tätä-tätä! schepperte es vom Rosenmontagszug.
    Die Lage spitzte sich unüberhörbar zu.
     
    Zur gleichen Zeit wurde Kriminaloberkommissar Adolf Kaminski erneut von dem Gefühl drohenden Unheils heimgesucht, und so, wie sich die Dinge entwickelten, konnte er durchaus recht damit haben.
    Der Riesenbirne Heppekausen und den beiden Kriminal-Zorros Schmöller und Lehnhard war es gelungen, Anna Lippscheidt und die drei anderen Kamelle-Mäuse abzudrängen, doch inzwischen schwappten immer mehr Karnevalisten über die Treppen zur Domplatte hinauf, sturzbetrunken und hemmungslos auf Frohsinn aus. Vor allem die Wiever zeigten keine Skrupel – sie fielen wie eine Naturkatastrophe über die kostümierten Drogenfahnder her und bützten sie ab, als hätten sie seit Jahren keine Männer mehr gesehen. Kaminski hatte den fatalen Eindruck, daß sich seine Leute nur mit halber Kraft gegen den Wieverüberfall wehrten.
    »Disziplin, Männer!« brüllte er und fuchtelte mit den Armen. »Sie sind nicht zum Spaß hier! Ich verlange Disziplin!«
    Aber genau in diesem Moment zog unten ein Musikkorps mit schätzungsweise hundert Trompeten und doppelt so vielen Trommeln, Becken und Pauken vorbei. Den infernalischen Lärm, den es veranstaltete, konnten nur die wohlwollendsten Hörer als Polonaise Blankenese identifizieren, und KOKs Kaminski war kein wohlwollender Hörer.
    Das Gefühl drohenden Unheils war inzwischen so stark, daß es schon zur Gewißheit wurde. Die schätzungsweise hundert Jecken starke Polonaise, die plötzlich durch die aufgelöste Phalanx seiner Männer fegte, bestätigte Kaminskis Befürchtungen nur noch. Mißtrauisch starrte er das schwangere Gespenst, die Pappnase in dem atemberaubenden Bodystocking und den Spinner mit dem Hubschrauberhut an, die den johlenden Jeckenwurm anführten und sich auf direktem Kollisionskurs mit Bernie Barnovic befanden.
    Bernie warf die Arme in die Höhe und kreischte: »Zu Hilfe! Ich brauche dringend Hilfe!«
    Er brauchte tatsächlich dringend Hilfe – von rechts trabte ein großer, knorriger Mann mit einer großen, knorrigen Nase und einem kleinen schwarzen
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