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Kokoschkins Reise

Kokoschkins Reise

Titel: Kokoschkins Reise
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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Lippen. Die kleine feste Hand roch nach Sonnenbräune   …
    «Gehen wir hinunter.»
    «Und wohin?» fragte sie erstaunt.
    «Zur Anlegestelle.»
    «Wozu?»
    Er schwieg. Wieder legte sie ihren Handrücken an die   … Wange.
    «Wahnsinn.»
    «Gehen wir», wiederholte er   …, «bitte.»
    «Ach, tun Sie, was Sie nicht lassen können», sagte sie und wandte sich ab.
    Mit der Fahrt, die er noch hatte, prallte der Dampfer sanft
gegen die trüb beleuchtete Anlegestelle, und beinahe wären sie gegeneinander gefallen   … stürzte fort, um die Sachen zu holen.
    Kurze Zeit später   … setzten sie sich schweigend in eine   … Mietdroschke. Die Fahrt den leicht ansteigenden Berg hinauf   … die Wärme und die Gerüche einer Kreisstadt in einer Sommernacht   … Der Kutscher hielt an einem beleuchteten Eingang, hinter dessen offenstehenden Türen eine alte Holztreppe steil hinaufführte; ein bejahrter unrasierter Lakai in einem rosa Russenhemd und einem Überrock nahm ihnen unwirsch das Gepäck ab und ging   … voran. Sie traten in ein großes   … Zimmer mit herabgelassenen weißen Vorhängen   … und zwei   … Kerzen auf dem Spiegeltisch – und kaum waren sie darin und kaum hatte der Lakai die Tür hinter sich zugezogen, da stürzte er sich   … mit einem solchen Ungestüm auf sie, und beiden stockte der Atem in einem so   … besinnungslosen Kuß, daß sie sich noch   … Jahre danach an diesen Augenblick erinnerte: Weder er noch sie hatten in ihrem Leben jemals etwas Ähnliches erlebt.
    Um zehn Uhr am Morgen, einem sonnigen   … glückseligen Morgen mit dem Läuten der Kirchen, dem Treiben auf dem Marktplatz vor dem Hotel   … machte sie sich, diese   … namenlose Frau   … zur Abreise bereit. Sie hatten wenig geschlafen; als sie aber   …, nachdem sie sich in fünf Minuten gewaschen und angekleidet hatte, hinter dem Schirm   … hervortrat, war sie so frisch wie eine Siebzehnjährige   … Sie war so einfach und fröhlich wie zuvor   …
    «Nein, nein, mein Lieber», sagte sie   … auf seine Bitte,
doch die Reise gemeinsam fortzusetzen   … «Wenn wir zusammen reisen, wird alles verdorben   … Niemals ist mir etwas widerfahren, das dem, was zwischen uns vorgefallen ist, auch nur im entferntesten ähnlich gewesen wäre, und es wird sich auch nie mehr wiederholen. Ich muß irgendwie nicht bei Verstand gewesen sein   …»
    … In leichter und glücklicher Stimmung führte er sie zur Anlegestelle – wie zum Abflug eines rosa Flugzeuges   –, küßte sie   … und konnte gerade noch auf den Landungssteg springen, der bereits eingezogen wurde.
    … leicht und sorglos kehrte er ins Hotel zurück   …
    Kokoschkin erwachte aus seinem Bunin-Traum. Für ein Frühstück war es fast zu spät.
     
    Im Kings Court holte Kokoschkin sich einen Kaffee. Er traf auf Olga Noborra, die frisches Obst aß. «Mein zweites Frühstück», sagte sie, «nach meiner Canyon Ranch Fitness-Stunde.»
    Kokoschkin sagte: «Sie nutzen jeden Tag für den Sport. Morgen kommen wir in New York an.»
    «Ihre Reise an die Orte der Vergangenheit geht zu Ende.»
    «Sie war nicht umsonst. Ich bewege mich leichter von diesen Orten fort, ohne sie zu vergessen.»
    «Sie kommen heute zum Lunch?»
    «Nein. Zum Dinner. Abschieds-Dinner. Ich sollte Sie daran erinnern, daß Sie mir Ihre Chicagoer Adresse geben.»
    «Richtig. Ich gebe Ihnen beim Dinner die Karte vomBüro meines Mannes. Er hat mir am Telefon gesagt, daß er am Austausch mit Ihnen interessiert ist. Begrünte Dächer. Halme und Gräser.» Sie lachte.
     
    Einen Tag vor der Ankunft in New York wollte Kokoschkin sehen, wie der Master die See vor sich sieht. Aus einem Raum hinter der Kommandobrücke konnte er es durch eine breite Glasscheibe sehen. Fotografieren verboten! Kokoschkin sah Geräte, Monitore, Hebel, aber keinen Master. Das Schiff schien von allein den Kurs zu halten. Natürlich! Autopilot! Zuletzt entdeckte Kokoschkin einen jungen Offizier, der beobachtete, wie die Geräte funktionieren. Und wenn plötzlich ein Eisberg auftauchte? Unsinn. Auf dieser Route schwimmen keine Eisberge. Auch Cary Grant, der 82   Jahre alt wurde, hatte sich nicht beunruhigen lassen.
     
    Im Liegestuhl auf dem Promenadendeck ließ Kokoschkin die Lunchtime vorübergehen. Im Halbschlaf hörte er, daß im benachbarten Liegestuhl jemand sagte, dort drüben fahre ein anderes Schiff. Kokoschkin öffnete die Augen. Zum ersten Mal während der Reise über den Ozean sah er ein
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