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Kohärenz 02 - Hide*Out

Kohärenz 02 - Hide*Out

Titel: Kohärenz 02 - Hide*Out
Autoren: Andreas Eschbach
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Juli.«
    »Nein, warten Sie«, sagte die Frau am oberen Ende der kleinen Treppe. Sie hob das Telefon ans Ohr. »Cathy? Hast du das mitgekriegt? Ich glaube, das ist in Ordnung, oder? Ja. Danke. Gute Nacht.« Dann sagte sie: »Kommen Sie rein.«
    »Gerne«, sagte die Frau mit dem Koffer und ging voran. Ihre Begleiterin folgte ihr.
    »Eric schläft aber schon«, sagte Patricia Batt, während sie die Tür schloss.
    »Das ist gut so«, erwiderte die Frau, die behauptet hatte, Kinderärztin zu sein. »Sie sind es ja, zu der wir wollen.« Sie ging in die Küche, legte ihren Koffer auf den Tisch und öffnete ihn.
    Es war nichts darin, das auch nur annähernd wie ein Prospekt ausgesehen hätte. Vielmehr enthielt der Koffer allerlei seltsame Gerätschaften, stoßsicher eingebettet in elastischen Formschaum.
    Die Frau mit der Brille nahm, ohne zu zögern, ein Gestell heraus, das einer Schraubzwinge ähnelte, und reichte es ihrer stämmigen Kollegin. Die machte sich sofort daran, es ungefähr in Kopfhöhe am Rahmen der Küchentür festzuschrauben. Ein breiter Lederriemen baumelte von dem Gestell herab.
    »Heh«, rief Patricia Batt. »Was machen Sie denn da?«
    »Erschrecken Sie jetzt nicht und schreien Sie nicht«, sagten beide Frauen im Chor, mit einer Gleichstimmigkeit, die einem unwillkürlich Schauer über den Rücken jagte. »In Wirklichkeit sind wir gekommen, um Sie einem kleinen chirurgischen Eingriff zu unterziehen. Er ist zu Ihrem Besten, wie Sie feststellen werden, und es tut nicht weh, wenn Sie sich nicht wehren.«
    »Was für einen –?«
    Doch da hatte die Frau mit der Ringerfigur sie schon von hinten gepackt. Noch ehe Patricia schreien konnte, war die angebliche Kinderärztin mit einer Injektionspistole bei ihr und jagte ihr ein Medikament in die Halsschlagader. Im nächsten Augenblick sackte Patricia schlaff und stumm in sich zusammen und wäre wie ein Lumpenbündel auf den Boden geschlagen, wenn die stämmige Frau sie nicht festgehalten hätte. Sie wuchtete sie herum und stellte sie so gegen den Türrahmen, dass ihr Kopf in dem Gestell zu liegen kam. Dann zurrte sie ihr den Lederriemen so über die Stirn, dass dieser sie in ihrer Position festhielt.
    Das Letzte, was Patricia Batt sah, ehe sie ohnmächtig wurde, war ein Instrument, das einer Pistole glich; einer Pistole mit einem ganz, ganz langen, bleistiftdünnen Lauf, der schimmerte wie Gold.
     
    Der cremeweiße Lincoln blieb vier Tage lang vor dem Haus stehen. Vier Tage lang rührte sich nichts darin. Keine Tür wurde geöffnet. Nur abends brannte Licht in einigen der Fenster.
    Dann, am fünften Tag, ging die Haustür wieder auf. Die beiden Frauen in ihren hellen Kleidern, in denen sie wie medizinisches Personal aussahen, traten heraus. Schweigend und ohne sich noch einmal umzudrehen, gingen sie zu ihrem Wagen, verstauten den Koffer, stiegen ein und fuhren davon. Patricia Batt stand währenddessen in der Küche und räumte, ohne das Geschehen draußen weiter zu beachten, Geschirr in die Spülmaschine.
    Ihr Sohn Eric saß stumm auf einem Stuhl und stierte ins Leere.

2 | »Warte.« Die Frau hinter dem Steuer hob die Hände. »Halt. Jeremiah – hast du überhaupt eine Vorstellung, wie das alles klingt?«
    »Ziemlich verrückt, nehme ich an«, sagte der Mann auf dem Beifahrersitz. Er sah erschöpft aus.
    »Völlig verrückt.«
    »Okay, dann eben völlig verrückt.« Er seufzte. »Aber was soll ich machen, Lilian? Es ist die Wahrheit.«
    Sie saßen in einem blauen Ford, der auf dem Parkplatz eines Supermarktes der GIANT-STORE-Kette zwischen Live Oaks und Santa Cruz stand. Neben dem Ford stand ein dreckiger Geländewagen; das einzige andere Fahrzeug in weitem Umkreis.
    Die Frau hinter dem Steuer kniff die Augen zusammen. Sie hatte dichtes schwarzes Lockenhaar, das nur mit viel Mühe und starken Gummibändern im Zaum zu halten war. »Wieso erzählst du mir das alles überhaupt? Ich habe darauf gewartet, dass du unsere Tochter zurück nach Hause schickst. Stattdessen tauchst du selber auf und erzählst mir eine derart monströse Geschichte. Hunderttausend Menschen, die dich, die euch verfolgen. Die alles unterwandert haben, den Staat, die Polizei, die Wirtschaft. Von denen jeder einen Chip im Kopf trägt, über den sie miteinander verbunden sind, sodass jeder die Gedanken der anderen lesen kann.« Sie schloss die Augen, presste die Fäuste gegen die Stirn und seufzte. »Geht es nicht eine Nummer kleiner?«
    Der Mann betrachtete sie ernst. Er war knapp fünfzig
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