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Königskinder

Königskinder

Titel: Königskinder
Autoren: Gernot Gricksch
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vielmehr: als ich es nicht hatte – der Lastwagen von den Rohrarbeitern. Deshalb habe ich den anderen Coffeeshop nicht gesehen. Darin saß vermutlich Newton31 und war sauer, weil ich nicht kam. So was Bescheuertes! Ich war kurz davor, in den Laden zu stürmen und den Geschäftsführer in Grund und Boden zu brüllen. Ich konnte mich nur nicht entscheiden, in welchen.

    Und das ist nun das Ende meines Briefes an Dich, lieber unbekannter Empfänger. Es tut mir leid, dass er mit so viel Wut endet. Dabei bin ich wirklich nicht so ein Mensch. Wahrscheinlich ist es gut, dass ich nicht weiß, wer Du bist, und ich diesen Brief deswegen nie losschicken kann.
    Ich werde ihn zur Seite legen. Ich werde ihn erst einmal vergessen. Und dann, vielleicht in ein paar Jahren, werde ich ihn noch einmal lesen. Ich werde mich noch einmal an mein Leben erinnern, wie es bisher war. Mein chaotisches Leben, in dem nichts zueinanderpasst.

Kapitel 20
    Vier Monate später
    E s ist jetzt vier Monate her, dass ich zuletzt an diesem Brief geschrieben habe. Mein lieber, nein: mein heißgeliebter Empfänger dieses Briefes! Endlich weiß ich, wer Du bist!
    Ich war heute beim Arzt.
    Und habe erfahren, dass ich schwanger bin!
    So ist es: Rüdiger, der Heulsusenschänder, hat Spuren hinterlassen! Und weißt du was: Ich bin überüberüberglücklich! Ich habe zwar nicht den Mann fürs Leben gefunden, aber die vergebliche Suche nach ihm hat mir nun durch Umwege einen anderen Menschen in mein Leben gebracht. Einen Menschen, den ich lieben werde und der mich, wenn ich’s nicht versaue, auch lieben wird. Ich bekomme ein Kind!
    Ich bekomme Dich!
    Dies ist Dein Brief! Ich werde ihn Dir vererben. Du sollst ihn lesen, wenn Du erwachsen bist – und ich nicht mehr bei Dir sein kann. Wenn ich tot bin. Vieles wird Dir bekannt vorkommen – aber wer weiß, vielleicht gibt es auch Dinge, die ich Dir zu Lebzeiten lieber verschweigen werde. Aber irgendwann, mein geliebtes Kind, sollst Du alles erfahren. Mein ganzes verrücktes Leben. Und Du sollst wissen, ganz egal, was die Zukunft für uns bereithält: Du bist das Wichtigste, das Wunderbarste, das Schönste, was das Leben je für mich bereitgehalten hat.
    Als ich erfahren habe, dass ich Dich bekomme, war von einer Sekunde auf die andere alles plötzlich anders. Da ist jetzt etwas, was auf mich wartet. Was mir bevorsteht. Was geschehen und alles umkrempeln wird. Liebe, Fürsorge, Verantwortung. Ich bin gesegnet worden. Das klingt vielleicht schwülstig, aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass das Leben sich endlich entschlossen hat, mir auch mal etwas Gutes zu tun. Dass das Schicksal mir freundlich zuzwinkert.
    Was früher war, ist plötzlich egal. Ich schaue nicht mehr zurück. Ich schaue jetzt nach vorne.
    Ich habe nur kurz überlegt, ob ich Rüdiger Bescheid sagen soll, und mich dann dagegen entschieden. Er ist Dein Erzeuger, ja, aber Du wirst nie sein Kind sein. Und das musst Du auch nicht. Ich weiß – ich weiß mit absoluter, mich selbst verwundernder, zweifelsfreier Sicherheit –, dass es Dir in Deinem Leben nie an Liebe mangeln wird.
    Ach, ich kann es gar nicht mehr erwarten, bis Du kommst! Ich sehne Dich so herbei. Ich bin so glücklich!
    Das Leben ist schön.

19. Mai 2010
    Simone schüttelte abwehrend den Kopf, als der junge Angestellte des Planetariums sie fragte, ob er ihr beim Einräumen helfen solle.
    »Geht schon«, lächelte sie und strich sich über ihren monströsen Bauch. Das war das einzig Blöde an dieser Schwangerschaft: Dass alle dachten, sie könne nichts mehr selbst tun. Dass alle immer mit anpacken und sie entlasten wollten. Natürlich war es nett gemeint, wenn die Leute ihre Hilfe anboten, aber Simone kam sich dann vor wie eine Behinderte. Oder wie eine Rentnerin. Dabei war sie doch nur schwanger.
    Eine Bilderbuch-Schwangerschaft obendrein: Sie fühlte sich blendend! Von sporadischen Rückenschmerzen mal abgesehen, hatte sie keinerlei Klagen. Selbst die legendäre Morgenübelkeit, über die sie so viel gehört hatte, war nie aufgetreten. Sie wurde einfach nur immer dicker. Und immer glücklicher.
    »Eigentlich wollte meine Kollegin Kira mitkommen und helfen«, sagte Simone zu dem jungen Mann. »Aber ihr Mann hat sie mit einer Hochzeitsreise nach Costa Rica überrascht. Da konnte ich ihr ja schlecht den Urlaub verweigern. Deshalb muss ich das hier jetzt allein …«
    »Costa Rica!« Der junge Mann ließ einen anerkennenden Pfiff hören. »Cool!«
    »Hast du ’ne Ahnung!«, sagte
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