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Königskinder

Königskinder

Titel: Königskinder
Autoren: Gernot Gricksch
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Und irgendwann begriff ich, dass ich versetzt worden war.
    Männer sind scheiße! Selbst so ein Alptraum-Typ, so ein beschissener 3 %-Loser hält sich für etwas Besseres und behandelt mich wie Dreck! Tritt mich und meine Hoffnungen mit Füßen!
    Und dann passierte das, was nicht hätte passieren dürfen. Es passt eigentlich gar nicht zu mir, und es war mir so unsagbar peinlich, und es hatte ja auch so beschissene Folgen. Aber als es passierte, konnte ich es nicht stoppen. Es überwältigte mich.
    Ich begann zu weinen!
    Dieser elende 3 %-Couplebank-Wichser hatte mir den Rest gegeben. Ich saß in dem Sessel, und ganz plötzlich fing meine Hand zu zittern an. Ich schaffte es noch, das Teeglas auf den Tisch zu stellen, ohne etwas überzuschwappen, bevor dann das Zittern übermächtig wurde und die Tränen aus meinen Augen schossen. Mein Gesicht wurde immer nasser, meine Schminke verlief, und ich begann ganz leise zu wimmern. Ich konnte einfach nicht mehr aufhören! Die Tränen liefen und liefen und liefen! Als ob mein ganzes Leben aus mir herausfloss.
    Ich spürte, dass einige der Gäste mich verstohlen beobachteten, doch niemand wusste so recht, was er tun sollte. Oder niemand wollte sich einmischen, bei der labilen Tussi mit den bescheuerten Ohrringen. Und ich dachte: Ja, glotzt nur, ihr Arschlöcher. Ihr habt ja keine Ahnung, wie es ist, ich zu sein! Ich fühlte mich unsagbar allein und furchtbar hässlich. Ich fühlte mich wie jemand, der als einziges Gefühl bei seinen Menschen höchstens noch Mitleid hervorruft. Ich fühlte mich … ungeliebt. Wertlos. Entbehrlich.
    Und dann legte plötzlich jemand von hinten seine Hand auf meine Schulter. Eine weitere Hand tauchte vor meinem Gesicht auf und reichte mir ein Papiertaschentuch, das ich dankbar annahm.
    »Na, na. So schlimm kann’s doch gar nicht sein«, sagte eine Stimme. Eine tiefe, warme Männerstimme. Ich drehte mich um und sah in das attraktive Gesicht eines etwa vierzigjährigen Mannes. Ich lächelte ihn verlegen an.

    Du ahnst, was dann passierte, nicht wahr? Und ja, es stimmt: Ich bin mit dem Kerl zu ihm nach Hause und ins Bett gegangen. Er hieß Rüdiger. Ich war ihm so dankbar, dass er mich bemerkt hatte – nicht peinlich berührt, nicht angeekelt, sondern mit Sympathie –, dass er mich trotz Heulerei und verlaufener Schminke und der Scheißohrringe immer noch attraktiv genug fand, um mich ficken zu wollen.
    Ja, ich weiß. Das klingt brutal. Aber das war alles, was es war: ein Fick. Ich wusste, worauf ich mich einließ. Ich wollte einfach nur gehalten werden. Jemanden spüren. Gespürt werden. Ich war so am Ende mit meinem Selbstbewusstsein, dass ich es schon als Kompliment nahm, dass ein Mann beim Anblick meines nackten Körpers eine Erektion bekam.
    Männer sind Schweine. Aber Frauen können dafür unendlich erbärmlich sein. Und das ist auch nicht besser. Kein Mann kann uns je so quälen, wie wir uns selbst zermürben.
    Als wir fertig waren, Rüdiger und ich, sah ich mich in seinem Schlafzimmer um. Ich entdeckte nichts, was mich interessierte, und auch der Mann war mir völlig egal. Der Fairness halber muss ich sagen: Ich spürte auch, dass ihn an mir nichts mehr interessierte. Er hatte, genau wie ich, bekommen, was er wollte. Was wir beide verdienten.
    Ich stand auf, zog mich an, sagte »Tschüss« und ging. Wir ließen das Höflichkeitsgeplänkel weg und taten nicht einmal so, als ob wir uns wiedersehen könnten. Welche Frau will schon einen Mann wiedersehen, der ihre Schwäche und Verletzlichkeit ausnützt, um seine Geilheit an ihr abzuarbeiten?

    Zu Hause fuhr ich den Computer hoch und wollte über Couplebank eine Nachricht an Newton31 schicken. Ich wollte diesem Schwein so richtig den Kopf waschen. Ihm unverblümt entgegenschleudern, was er für ein Mistkerl sei. Dass ich ihn hasste! Dass ich noch nie in meinem Leben einen Menschen gehasst hatte, aber dass er jetzt das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.
    Doch Newton31 hatte sich aus dem System abgemeldet. Nicht mal meine Wut konnte ich noch loswerden.

    Okay, der letzte Eintrag ist zwei Wochen her. Und ich habe inzwischen etwas Verrücktes herausgefunden: Es gibt in den Colonaden zwei Balzac -Coffeeshops! Die liegen einander direkt gegenüber! Das habe ich gesehen, als ich dort zufällig vorbeiging. Wer denkt sich denn so was aus? Warum mieten die nicht einfach einen größeren Laden?
    Und dann fiel es mir ein: Zwischen den beiden Balzacs stand, als ich mein Blind Date hatte – oder
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