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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
Autoren: Nora Berger
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Er war eingezogen worden, und nun ging es nicht mehr um Liebe oder Seligkeit, sondern um Himmel und Hölle, Leben oder Tod. Es war die Auseinandersetzung mit der neuen Situation, in der das Gespenst der Furcht auch dem Mutigsten manche Nacht wie ein schweres Gewicht auf der Brust lag. Nur Briefe waren ihnen jetzt noch geblieben mit sehnsuchtsvollen Beteuerungen. Und die Erinnerung an den unvergesslichen Nachmittag am Frischen Haff, an Wind und Wellen, Champagner und KönigsbergerKlopse; an all das, was für sie zur Essenz des Lebens und der Liebe geworden war.
    Paul seufzte, zog die Beine fast bis zum Kinn und massierte seine Zehen, die er kaum mehr fühlte, obwohl sie in dicken Socken steckten. So zusammengerollt, hoffte er, sich in seinem dick wattierten Schlafsack doch noch zu erwärmen.
    Hier, etwa fünfundfünfzig Kilometer vor Moskau bei eisigem Frost, der durch Mark und Bein drang, in einer Schneewüste, in der alles Leben erstorben zu sein schien, musste er zusammen mit seinen Kameraden für das Vaterland kämpfen! Er war zuversichtlich, dass sie den Krieg bald gewinnen würden, denn die deutsche Armee hatte bisher nur Siege vorzuweisen – in rasender Schnelligkeit drang sie durch die feindlichen Gebiete, und nichts würde sie aufhalten können, nicht einmal die endlose Weite der sturmgepeitschten Landschaft, die Öde dieses russischen Winters. Obwohl die dünnen Mäntel und Strickmützen, die den Männern als Kälteschutz zur Verfügung standen, gegen die warmen Fellkappen und Schafwollstiefel des russischen Gegners geradezu lächerlich wirkten, hielten sie eisern durch. Der versprochene Nachschub dicker Daunenjacken, die den schneidenden Wind mit seinen scharfen Eiskristallen abhalten sollten, wärmende, doppelte Filzstiefel, all das musste schließlich jeden Augenblick im Lager eintreffen.
    Endlich sanken seine Lider herab und der Schlaf entspannte langsam die jungen Züge.
    »Alarm!« Sofort war er wieder hellwach. Draußen ertönte lautes Geschrei, ein Durcheinanderlaufen, gemischt mit harten Kommandos. Die Kameraden sprangen schon aus den Schlafsäcken, griffen zu den Waffen und stürzten hinaus.
    »Feuer! Feuer! Alarm!« Der Ruf pflanzte sich durch das Lager und jagte auch noch den letzten verschlafenen Soldaten hoch. Die Kälte beim Hinaustreten ins Freie schlug ihm wie eine eisigeWand ins Gesicht, nahm ihm den Atem und ließ Blut und Herzschlag stocken. Doch sein Gehirn arbeitete, befahl dem widerwilligen und müden Körper, blitzschnell zu reagieren.
    Und da waren sie auch schon zu sehen: Eine Gruppe wilder Reiter, mit Fackeln und gezückten Säbeln bewaffnet, stürmte wie eine gespenstische Erscheinung durch die Nacht auf das Lager zu. Russische Kosaken! Und auf ihrem Ritt schienen sie alles in Brand setzen zu wollen, was sie erreichen konnten.
    Bis dahin hatte man die Kunde von den unberechenbaren, wüsten Kosakenverbänden eher belächelt, die aus dem Nichts heraus auftauchten und nach ihrem blutigen Tun genauso schnell verschwanden, wie sie gekommen waren. Aber nach einem neuen, unerhört brutalen Überfall auf einen Gefechtsstand der Flaktruppe, an dem sie so schrecklich gewütet hatten, dass sogar der kommandierende General unter den Opfern gewesen war, blieb General von Richthofen nichts anderes übrig, als sofort ein Sonderkommando von MG-Schützen anzufordern, um das Kosakencorps abzuwehren und ein für alle Mal unschädlich zu machen.
    Doch die wilden Reiter waren schneller gewesen. Sie galoppierten heran, und ihr Blitzangriff ließ den MG-Schützen wenig Zeit, sich vor ihnen in Deckung zu bringen und ihre Schussposition einzunehmen. Und genau wie in jener unglücklichen Nacht, wo das Annähern der Feinde von den Posten nicht sofort bemerkt worden war, weil die Kosaken die Hufe ihrer Pferde mit Lumpen umwickelten hatten, diente ihnen auch diesmal das Überraschungselement zum Vorteil.
    Paul brachte sich gerade noch mit einem beherzten Sprung hinter einem Busch in Sicherheit, als der wilde Haufen mit Geschrei und offenen Feuerfackeln unvermutet aus dem Dunkel auf ihn zuraste. Aufs Geratewohl feuerte er sein Magazin leer. Beim Nachladen sah er aus der Ferne den Feuerbrand der Stadt Rusa aufflammen, den die Kosaken gezündet hatten. Die eisige Luftlähmte ihn, sie brannte scharf in seinen Lungen, und ihm war, als zögen spitze Eiskristalle seine Haut zusammen und machten sie taub.
    Ohne eingreifen zu können, sah er wenige Meter vor ihm seinen Kameraden Otto, von einem der Kosaken bedroht,
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