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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
Autoren: Nora Berger
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Augenbrauen hoch und seufzte. »Diese Leute haben eben nichts anderes! Und jetzt will ich nichts mehr hören!«
    Theo verschluckte ein Widerwort und sah seine Mutter nur vorwurfsvoll an. Sie saß wie immer in tadelloser Haltung am Tisch, im seidenen Nachmittagskleid und für die Umstände fast zu elegant, ebenso wie seine Großmutter Louise, deren gestärkter, blütenweißer Kragen über der frischen Bluse ein Wahrzeichen dafür zu sein schien, dass man auch in Kriegszeiten nicht die Contenance verlor.
    »Die essen immer in der Küche – da muss man nicht so lange warten!«, nörgelte er noch ein letztes Mal hinter der Serviette.
    Magdalena stieß ihn mit den Ellenbogen an und flüsterte ihm zu: »Kannst du nicht endlich still sein, Theo? Du siehst doch, dass Mama sich aufregt, weil wir immer noch keine Nachricht von Lutz haben!«
    Theo schwieg verunsichert. Er mochte es zwar nicht, wenn seine Schwester sich einmischte, aber da es um Lutz ging, seinen älteren Bruder, der an der Front kämpfte, wurde er ernst.
    Erst jetzt fiel es ihm auf, wie die Hände der Mutter zitterten, auf ihren sorgsam gepuderten Wangen rote Flecken brannten. Sorgen schienen sie zu quälen, von denen wenigstens bei Tisch nichts über ihre Lippen kommen sollte. Der Braten wurde jetzt gereicht, denn es war Sonntag, und da wollte man nicht sparen. Trotz des Krieges mussten die von Waldens noch keinerlei Einbußen ihres Lebensstandards hinnehmen. Sie hatten immer noch ihre Zulieferer, zumeist Bauern, die gewisse Lebensmittel gegen Petroleum, Farben und Werkzeug aus der Farbenfabrik des Großvaters mütterlicherseits, die von einem Geschäftsführer geleitet wurde, eintauschten. Die Fabrik war ausgesprochen lukrativ, weil sie unter anderem eine besondere, silberne Tarnfarbe für die Rüstungsindustrie herstellte. Eigentlich hätte der älteste Sohn Lutz sie übernehmen sollen, doch der, eher ein Feingeist, hatte ein Philosophie-Studium vorgezogen.
    Man sprach im Allgemeinen wenig während des Essens, und es waren nur das Klappern des Bestecks und die Geräusche von der Straße zu hören. Wenn Magdalena über die lange, stilvoll mit weißer Tischwäsche, Silber und Kerzen gedeckte Tafel hinweg sah, fühlte sie ihr Herz schwer werden. Sie war zur Hälfte leer, denn nicht nur ihr Bruder, sondern auch ihr Vater fehlte. Eugen von Walden, Ministerialrat, war im letzten Jahr verstorben, und sein Sohn Lutz, der Älteste, musste für Deutschland im Feld kämpfen, obwohl er immer eingeschworener Pazifist gewesen war.
    »Setz dich doch gerade hin, mein Kind …«, die Stimme der Großmutter hatte einen beherrschten kühlen Klang wie immer, doch Magdalena konnte ihn plötzlich nicht mehr ertragen. Sie schob den Teller fort und sprang auf. »Lasst mich doch endlichin Ruhe essen! Seit Lutz im Krieg ist, sind Theo und ich wohl eure einzigen Opfer, an denen ihr ständig herummeckert...«
    Wie erstarrt sahen die beiden Frauen dem Ausbruch zu. Frau von Waldens Lippen begannen plötzlich zu zittern, und sie verlor die so mühsam bewahrte Fassung, senkte den Kopf und begann lautlos zu weinen. Magdalena hielt erschrocken inne. »Mama … das war doch nicht so gemeint!«
    Doch die Mutter hatte schon die Hände vor die Augen geschlagen und schluchzte leise vor sich hin. Ihre Tochter war jetzt mit wenigen Schritten bei ihr und umfasste ihre Schultern. »Was hast du denn, Mama?«, fragte sie nunmehr ganz kleinlaut.
    Ganz plötzlich brach das erstickte Schluchzen ab. Ohne aufzusehen, stieß Frau von Walden mit einem tiefen Seufzer hervor: »Ach, was weißt du, schon, Kind! Mir ist einfach alles zu viel! Lutz – warum schreibt er nicht mehr?« Ihr Gesicht war verzerrt, und sie nestelte bebend, als könne es gar nicht schnell genug gehen, eine Tablette aus einem kleinen Döschen neben ihrem Teller, steckte sie in den Mund und nahm einen Schluck aus ihrem Glas, um sie herunterzuspülen. Nach einem tiefen Atemzug wurde sie ruhiger. »Nicht einmal für das Päckchen hat er sich bedankt. Ich habe so ein seltsames Gefühl!«
    Magdalena war es, als umfasse eine kalte Hand ihr Herz. »Aber sein letzter Brief ist doch noch gar nicht so lange her … « Sie verstummte, und ihre Arme fielen herab. Ein unheilvolles Schweigen stand im Raum, bei dem keiner es wagte, das Wort zu ergreifen.
    Erst nach einer Weile erklang die mühsam beherrschte Stimme der Großmutter Louise. »Gefühl, Gefühl – darauf kann man sich nicht verlassen. Du solltest keine voreiligen Schlüsse ziehen,
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