Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königsallee

Königsallee

Titel: Königsallee
Autoren: Horst Eckert
Vom Netzwerk:
Liebe. So funktioniert Politik!«
    Kroll ging zum Schrank, zog einen Fortuna-Schal heraus und schlang ihn um den Hals.
    »Der Mann, von dem ich rede, Frau Beck, gehört übrigens der Opposition an, aber er ist mein treuester Gefolgsmann, wenn’s drauf ankommt. Das hat man Ihnen im Studium nicht beigebracht, oder? Bei mir können Sie noch was lernen!«
    Kroll verließ das Büro, den Aktenkoffer liegen lassend.
    Simone Beck brauchte eine Sekunde, bis sie begriff: Der OB ging davon aus, dass sie ihm das Lederding hinterhertragen würde.
    Was sie natürlich auch tat.
    Auch dafür hatte Kroll sie offenbar eingestellt und ihr den Titel ›Referentin für Strategische Planung‹ verliehen. Simone machte sich nichts vor: Eine rothaarige Kofferträgerin im Business-Kostüm, die schlanke Beine und eine üppige Oberweite vorweisen konnte, war für das Stadtoberhaupt ein Statussymbol, mit dem es Eindruck schinden wollte.
    Ihr sollte es recht sein.
    Simone hatte ihre neue Karriere geschickt eingefädelt, wie sie fand. Ein Kurzstudium in Politischer Kommunikation an einem norddeutschen Privatinstitut, das keine Ansprüche stellte, aber klingende Titel verlieh. Das Thema ihrer Examensarbeit hatte sie zielgerichtet gewählt: Kommunale Amtsführung neuen Typs am Beispiel Dagobert Kroll.
    Damit hatte sie sich beim Verwaltungschef der Stadt beworben, an deren Uni sie einmal für drei Semester eingeschrieben gewesen war. Zunächst um einen Praktikumsplatz. Natürlich hatte Kroll ihr den Wunsch nicht verweigert – und Simone war es gelungen, einen Schlussstrich unter ihre Hamburger Vergangenheit zu ziehen.
    In Rekordzeit von der Praktikantin zur Referentin. Natürlich wollte Simone noch höher hinaus: die Leitung des OB-Büros, einen Chefposten bei Messe oder Flughafen. Oder irgendetwas mit Medien – sie hatte das Zeug dazu.
    Kroll betrat den Sitzungssaal und erntete Aufmerksamkeit. Simone kannte die Taktik bereits: Lass die Leute auf deinem Territorium antanzen und erscheine selbst als Letzter.
    Sofort raunzte der OB den rotgesichtigen Fortuna-Geschäftsführer an: »Ballscheidt, willst du der Dame nicht den Koffer abnehmen? Sei einmal in deinem Leben ein Kavalier!«
    Simone konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ballscheidt war völlig verdutzt. Er deutete sogar eine Verbeugung an, als er Simone das Lederding abnahm. Zu Wochenbeginn hatte es der Geschäftsführer des Traditionsvereins als einziger Funktionär gewagt, in der Morgenpost Einwände gegen die Pläne seines Aufsichtsratsvorsitzenden anzudeuten. Jetzt stolperte er mit dem Aktenkoffer dem OB hinterdrein.
    Bei mir können Sie noch was lernen.
    Kroll nahm die Parade ab. Wie ein Defilee von Untertanen schüttelten Vereinsvorstände und Aufsichtsräte erst seine Hand, dann die von Simone. Sie spürte, wie ein Teil des krollschen Glanzes auf sie abfiel. Die Leute akzeptierten sie. Mehr noch: Erwachsene Männer und Frauen, die in der Stadt hohes Ansehen genossen, hatten Heidenangst und kuschten.
    Dossiers, dachte Simone.
    Dann erblickte sie Ulrich Lohmar – und ihr wurde sofort flau im Magen.
    Kein Zweifel, er war es: weißes Haar, drahtige Figur, ein wettergegerbtes Gesicht, das jugendliche Frische ausstrahlte. Mitte fünfzig, von Beruf selbstständiger Unternehmensberater. Ein Typ aus ihrem früheren Leben – der Gedanke daran schnürte Simone den Hals zu.
    Kroll stellte sie vor: »Frau Beck ist der Engel, den mir der Himmel geschickt hat. Es gibt niemanden im Rathaus, auf den ich mich besser verlassen könnte.«
    Der OB wies auf den Weißhaarigen und sagte zu Simone: »Mein Freund Lohmar, ein Ass auf dem Golfplatz. Ich habe ihn in den Vorstand geholt, damit er uns Sponsoren an Land zieht.«
    »Angenehm«, antwortete Lohmar – kein Zeichen des Wiedererkennens. Er wandte sich Kroll zu: »Stell dir vor, Dagobert, ich habe tatsächlich jemanden an der Hand, der die Fortuna voranbringen könnte. Wir sollten so rasch wie möglich einen Termin vereinbaren.«
    »Das höre ich gern, Ulrich. Frau Beck organisiert meine Agenda.«
    Simone nickte und brachte kein Wort heraus. Damals hatte sie sich anders zurechtgemacht. Und vielleicht hatte Lohmar bei ihrer Begegnung in Hamburg die Testosteronausschüttung einen Filmriss beschert. Sie konnte nur hoffen, dass sich der Unternehmensberater tatsächlich nicht erinnerte.
    Der Kerl setzte sich neben sie.
    Simone vernahm, wie Kroll das Treffen eröffnete: »Wir sind zusammengekommen, weil die Vertragsverlängerung unseres Sportdirektors
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher