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Königsallee

Königsallee

Titel: Königsallee
Autoren: Horst Eckert
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(42) lebt als Hartz-IV-Empfängerin in Duisburg. Sie beteuert: »Ich bin Henrikes Mutter. Der reiche Richter hat mir 1987 zweitausend D-Mark für sie gegeben. Eine Hebamme hat den Handel vermittelt.«
    Andermatt dementiert, spricht von der »Lebenslüge einer grenzdebilen ehemaligen Gelegenheitsprostituierten« und einer Medienkampagne, die seinen Kurs einer »ehrlichen Politik« verhindern wolle.
    Blitz- Leser fragen sich: Was ist dran an dem ungeheuerlichen Vorwurf? Warum geht ›Richter Gnadenlos‹ nicht juristisch gegen Heike W. vor? Ist dieser Mann der Richtige für den Ministerjob?
82.
    Im Frühbesprechungsraum bauten die Kollegen die Zelte ab. Die Morde an Robby Marthau und Henrike Andermatt alias Lena Winters waren weitgehend geklärt. Die Staatsanwaltschaft bereitete Anklagen gegen Schubries und seine beiden Freunde wegen gemeinschaftlicher Vergewaltigung einer hilflosen Person und unterlassener Hilfeleistung sowie gegen Juli Winters wegen Mordes vor. Diese Arbeit bedurfte nicht mehr der großen Maschinerie.
    Auch Reuter packte seine Unterlagen und schaffte sie hinunter in sein Büro. Bis auf Weiteres saß er allein hier. Der Schreibtisch neben seinem war leer geräumt. Ein beklemmendes Gefühl – Reuter versuchte, nicht weiter an Koch zu denken.
    Kollegen des Inneren Dienstes hatten Kochs PC und den Inhalt der Schubladen sichergestellt. Reine Routine – einen Prozess würde es im Fall Robert Marthau nicht mehr geben.
    Reuter brachte den Abreißkalender auf den aktuellen Stand. Die Fette Henne brauchte Wasser. Vielleicht würde Scholz hier einziehen. Für die Behörde sprach nichts mehr dagegen, das einstige schwarze Schaf in seine alte Dienststelle zurückkehren zu lassen. Es hieß, der Kollege befinde sich auf dem Weg der Besserung. Reuter überlegte, wie es wäre, mit Scholz das Zimmer und die künftigen Fälle zu teilen.
    Reuter sortierte seinen Papierkram. Das Moleskine-Buch mit Lenas Gedichten fiel ihm in die Hand. Er hatte es eingesteckt – sein Gefühl sagte ihm, dass er ein Recht auf dieses Andenken hatte. Für die restlichen Ermittlungen war es ohne Belang.
    Beim Lesen der Verse kam es ihm vor, als halte er Zwiesprache mit der Toten.
    Er versprach Henrike, sich an sie eine andere Erinnerung zu bewahren als das, was die Schlagzeilenlyrik der Gazetten als angebliche Sensation herausposaunte. Auch die nüchterne Prosa der Mordakte enthielt nur die halbe Wahrheit.
    Reuter legte die Vermerke und Protokolle, an denen er weiterarbeiten wollte, auf einen Stapel. Ein Ziel war ihm geblieben: die Anklage gegen Konrad und Carola Andermatt wegen Menschenhandels. In Gedanken redete Reuter darüber mit Henrike: Ich werde dir diesen letzten Dienst erweisen.
    Das Telefon auf seinem Tisch schrillte.
    Es war die Angestellte aus dem Vorzimmer des Kripochefs. Der Leitende Kriminaldirektor wollte ihn sprechen.
83.
    Es klopfte an der Tür. Scholz legte den Inhalator weg, der seine Lungenbläschen wieder in Schwung bringen sollte. Er kippte das Rückenteil des Betts hoch, damit er aufrecht saß und nicht wie ein Kranker wirkte.
    Bettina trat ein. Ein gespanntes, sorgenvolles Gesicht über einem bunten Blumenstrauß. Sie wirkt schlanker als früher, fand Scholz. Sie sieht gut aus, nicht nur für ihr Alter.
    Seine Frau umarmte ihn. Dann ging sie auch schon wieder hinaus, um eine Vase zu suchen. Während er wartete, ertappte er sich dabei, dass er nervös an seinem Ring spielte.
    Sie kam zurück, stellte die Vase mit den Blumen auf den Tisch und zupfte die Stängel zurecht.
    »Du hast abgenommen«, sagte sie und setzte sich auf den Bettrand.
    »Das bewirken die Wasser abführenden Mittel.«
    »Wie geht es dir?«
    »Das Wasser in der Lunge ist fast weg. Ich kriege Luft. Eigentlich weiß ich gar nicht, warum ich noch hier liege.«
    »Hör bitte auf die Ärzte.«
    »Am Wochenende haue ich ab, egal, was sie sagen.«
    »Du kannst froh sein, dass du alles überlebt hast.«
    Für einen Moment lag er noch einmal gefesselt im Staub. Die Schüsse, das Feuer. Am schlimmsten war das Gefühl der Hilflosigkeit – Scholz versuchte, die Erinnerung rasch zu verdrängen. Solche Anfälle hatte öfter, seit er hier lag.
    »Du trägst noch den Ring, wie ich sehe«, sagte Bettina.
    »Du auch.«
    Ein verlegenes Lächeln.
    »Das Dienstaufsichtsverfahren ist eingestellt worden«, berichtete Scholz. »Ich gehe zur Organisierten Kriminalität zurück.«
    Kein Dienstgruppenleiter Ritter würde ihm länger auf den Sack gehen. Endlich wieder
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