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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition)
Autoren: Hans Pleschinski
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probegeschlafen und nicht das leiseste Quietschen der neuen Bettfederung vernommen.
    Jetzt mußten nur noch die maßgefertigten Schallschlucktüren in die Scharniere gehängt werden.
    Gäste, die aus dem Frühstückssaal traten, wichen vor der Handwerkerkompanie in Arbeitsblusen und ihrer Last zurück. Trotz Getöse und Beseitigung der Fleischspuren unterhielten sich zwei Holländerinnen in den Gobelinsesseln am kalten Kamin. Die jüngere zog lange Handschuhe über die Arme, ihre vielleicht sechzigjährige Begleiterin suchte in ihrer Tasche. Falls beide Frauen von den Deichen oder aus Rotterdam stammten, waren sie womöglich noch heftigere Geräuschkulissen gewöhnt.
    «Er kommt mit dem Zehnuhrzwölfer?» Kurt Friedemann, der wegen seiner Körpergröße außerhalb der Hotelsphäre gewiß an manches mehr oder weniger freundlich gemeinte «Kurtchen» gewöhnt war, straffte sich bereits jetzt für den Empfang der Zelebrität. Solches Engagement war bei Friedemann erfreulich und nicht das übliche.
    «Wir wissen nicht, wann exakt sie eintreffen», sprach Siemer beiseite. «Es hängt davon ab, wann sie aus Köln aufbrechen. Ob dort noch ein Empfang eingeschoben wird. Vielleicht wollen sie spontan die Ruine vom Gürzenich besichtigen oder am Rhein spazieren. Sie sind wohl nicht oft in Deutschland. Jedenfalls jetzt nicht mehr.»
    «In Köln muß man nicht lange bleiben. In Köln gibt’s nichts zu sehen», bekannte Herr Friedemann lokalpatriotisch, worauf sich seine Miene abrupt verdüsterte, da außer dem durchsiebten Turm von Sankt Lambertus am Flußufer auch in seiner Heimatstadt nicht mehr allzuviel Herrliches zu bewundern war. Oberkassel war verschont und reizvoll geblieben! Was auch merkwürdig war. Hatte es über das neutrale Ausland zwischen den linksrheinischen Villenbesitzern und der Royal Air Force Absprachen wegen der Nichtbombardierung des Nobelviertels gegeben? Zwecks späteren Einvernehmens zwischen den Industriebaronen und den Besatzern? Herr Friedemann wählte jedenfalls die Sozialdemokratische Partei unter Kurt Schumacher, der für die Fünf-Tage-Woche, die moderate Enteignung der ewig Reichen und die völlige Waffenlosigkeit Deutschlands focht. Der Herr Bundeskanzler Adenauer, der war doch ein Greis von früher, ließ den Unternehmern freie Hand zum Ausbeuten und hetzte gegen die Sowjetzone, so daß das Land noch endgültig in zwei Teile zerfiele.
    Die politischen Querelen waren beinahe aufreibender als das frühere Gehorchen. Neutralität, Frieden und ein gutes Auskommen für alle wären das Beste, befand Herr Friedemann. Aber wie das ohne Gezänk, ja ohne Bürgerkrieg zuwege bringen? Der Rezeptionsassistent freute sich auf den Doppelkopfabend mit zünftigem Umtrunk und nahm die Schlüssel der niederländischen Damen entgegen, die in die Stadt aufbrachen. Erstmals fand eine Holländische Woche statt, und sie hatten sich wohl deshalb ins gemeinhin sehr verhaßte Land begeben. Nett. Vorurteilslos. Ausgesprochen entgegenkommend. In ihren Taftkleidern, unter runden Hüten wirkten die Damen aus dem benachbarten Königreich, wo man sich Schokolade aufs Brot streuselte, wie aus dem Ei gepellt. Ein feiner Duft von Flakonspritzer oder Seife hielt sich kurz in der Luft.
    Der Liftboy eilte heran und händigte einen Brief für die Post aus. Ein Gästepaar spähte durch die Glastür des Teesalons, der vormittags geschlossen war. Neben dem Geländerpfosten der breit geschwungenen Treppe wischte eine ranke, schöne Mutter ihrem Jungen mit angefeuchtetem Finger eine Unsauberkeit vom Kinn. Widerwillig zog er den offenbar kratzigen Kniestrumpf über die Wade. Die Frau Mama gab dem blonden Burschen einen Klaps, griff ihn bei der Hand, und ab ging’s gen Ausgang. Ihr Glockenrock schwang. Das Mieder vollendete die Taille. Übermütig verfiel der Sprößling in einen Stolperschritt, hüpfte über einen aufgerollten Teppich und strahlte dann zu seiner Mutter hoch. Entweder vergaß sie, den Schlüssel abzugeben, oder sie wollte nur für eine kleine Besorgung außer Haus. Von der regulären Putzkolonne war hinter der Treppe bisher nur eine Klappleiter sichtbar. Vor allem der große Messingleuchter, der aus der Gewölbemulde hing, mußte flink entstaubt werden. Als wachsamer Angestellter erspähte man ein paar wehende Fäden zwischen den elektrischen Kerzen. Ehedem hatte aus der Hallenhöhe und einer veritablen Glaskuppel ein mächtiger Kristallüster die Sitzgruppen, Schauvitrinen und Seidentapeten beleuchtet. Ein Treffer durch
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