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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition)
Autoren: Hans Pleschinski
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weg?»
    «Der Ruf des Hauses wäre ruiniert.»
    Kurt Friedemann merkte, daß der Vorgesetzte sich mit mancherlei beschäftigte und durchaus in den Blättern las, die er sich aus dem Zeitschriftenfächer mitnahm, den er allmorgendlich neben der Glocke arrangierte. Zur Kartenrunde würde Oskar Siemer gewiß nicht stoßen. Doch gegen Vorgesetzte sollte man tunlichst auch niemals gewinnen. Trotz abendlichen Zuprostens konnten Niederlagen Ressentiments schüren. Und Friedemann wußte, daß er nicht unersetzlich war. Daß er Kollegen anderer Dienstschichten gelegentlich, wenn auch feindosiert, herabsetzte – Grünlich hat wieder vergessen, die Briefmarkenmappe wegzuschließen … Fräulein Helga kam vorgestern mit einer Laufmasche –, lädierte zwar andere, ließ ihn selbst aber nicht gerade glänzen. Friedemann freute sich auf Ruhe und die hinreichende Rente, und schon zehn Jahre vor dem Stichtag erschien er nicht mehr mit selbstlosem Schwung zum Dienst. Mit Herrn Siemer verhielt es sich anders. Der hatte in der Ostpampa selbst ein kleines Etablissement besessen und identifizierte sich geradezu zwanghaft mit dem Gedeihen des Breidenbacher Hofs: Wir müssen wieder in die Weltspitze aufsteigen. – Prüfen Sie mal, ob wir noch genug Stadtpläne haben . Die gingen stets schnell zur Neige. Manche Gäste wollten täglich einen neuen. Manchmal wunderte sich der gebürtige Ratinger, daß bei all dem Pomp, dem Wintergarten mit Büffetwagen, täglich frischen Bouquets, zwölf Mann an den Töpfen, zwei nur für Saucen, Chef und Demichef im Restaurant, Wäscheschließerinnen, Barmixer und Sommelier im Keller sich das Luxusunternehmen rentieren konnte. Doch bei solch schwindelerregenden Erwägungen war er kleingeistig. Kosten und Einnahmen hatten sich in allen Branchen und Lebensbereichen seit Jahrhunderten eingependelt. Da durfte man getrost seine Lohntüte empfangen und hoffen, daß Kundige den Überblick behielten. Falls die Systeme zusammenbrächen, plötzlich fast alle verarmten, wäre man zumindest nicht der einzige in der Peinlichkeit. Und es fände sich irgendeine Art Neubeginn. Brot konnte stets gebacken und unter einem Dach verzehrt werden. Bei aller wiedergewonnenen Sicherheit sollte man der Bedrohlichkeiten eingedenk bleiben. Dann tanzte man nicht blind durch die Welt, bliebe demütig umsichtig.
    Doch das Haus florierte. Trotz des Ausbleibens einer fast singulären ostdeutschen Wirtschaftsdelegation. Entweder waren die dreißig Herren und Damen zu Hause wegen Korrekturen in ihrer dortigen Einheitspartei verhaftet oder an der Grenze auf Grund eines Spionageverdachts abgewiesen worden. Leiter volkseigener Kombinate, die im Grunde auch den Breidenbacher Hof enteignen und in Gemeinbesitz überführen wollten, hätten, empfand der Empfangskommis beim Arrangieren von Prospekten, im Teesalon einigermaßen beunruhigend gewirkt. Dazu noch Herr Kesselring nebst Gattin – das wäre in der Tat ein konfliktträchtiges Gemenge geworden. Lieber das Marschallspaar allein oder den Nobelpreisträger und die Kommunisten gar nicht. Oder am besten, entsann sich Kurt Friedemann, abermals den Bundespräsidenten Theodor Heuss … dieser hohe Gast war umgänglich. Das neue Staatsoberhaupt hatte sich beim einarmigen Elkers nach dessen Schicksal erkundigt – Polen schon im ersten Jahr – und war nach zwei Glas Rotspon zum Frühstück zur Einweihung der neuen Rheinbrücke aufgebrochen: Jetzt müßt ihr euren Löwensenf nicht mehr rüberpaddeln .
    «Friedemann, lochen Sie.» Die Anregung des Chefs in Richtung der rundlichen Hilfskraft, die über den Telephonhörer strich, klang eindeutig. Friedemann verharrte indes noch einen kleinen Moment vorn. Allzu reizend waren die zwei Elfen, die schwungvollen Schritts den salutierenden Robert Elkers passierten. Das rote Kleid der Brünetten war weiß gepunktet. Die blonde Begleiterin trug blau-weiß gestreift. Beide hätten an einer hiesigen Modenschau teilnehmen können. Die Schönheiten hielten gemeinsam den Griff eines Korbs gefaßt, der ihre Petticoats leicht eindrückte. Nach dem Musikapparat schien auch ihre Fracht gewichtig zu sein. Gut, die Rezeption war ihr Ziel.
    Die Lippen der Brünetten schimmerten kirschrot. Die Locken der Blonden wippten bei jedem Schritt. Was für Rheintöchter! Sie nahten leise auf hohen Korksohlen. Auch Oskar Siemer wirkte entzückt und beugte sich vor.
    «Guten Tag», wünschte der Fruchtmund. Wegen der weißen Zahnreihen, einem Kußduft, den man zu atmen meinte, hätte
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