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Königin der Piraten

Königin der Piraten

Titel: Königin der Piraten
Autoren: Danelle Harmon
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könnte Euch also ebenso gut an die Wand spießen und Euch Eure Eingeweide zum Frühstück vorsetzen wie Euch den Haien vorwerfen. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
    Ein hartnäckiges Schweigen folgte. Die Luft knisterte vor Spannung.
    »Ob ich mich deutlich genug ausgedrückt habe?«
    Gray starrte in Maeves unergründliche goldbraune Augen. In ihrem Zorn, in ihrem Ringen um die Macht, in ihrem schweigenden, grimmigen Kampf waren sie einander ebenbürtig. Dieses junge Gör war die berühmt-berüchtigte Piratenkönigin der Karibischen See? Die Geschichten, die sich um sie rankten, hatte er immer als übertrieben aufgebauschte Legenden abergläubischer Tölpel abgetan, die auch an Meerjungfrauen, Seeungeheuer und den Geist von Blackbeard glaubten.
    Bring mich nicht auf die Palme, Kleine, dachte er finster. Da kitzelte ihn etwas an der Schläfe, und instinktiv wischte er sich den letzten Rest des Schleims ab, der ihm immer noch über das Gesicht lief. In diesem Moment wurde ihm schlagartig klar, wie absurd die ganze Situation war, und seine Mundwinkel begannen zu zucken - auch dann noch, als er den Blick an Maeves graziös geschwungenem Hals hinabgleiten ließ, an der Rundung ihrer Brüste unter der locker sitzenden Bluse, den nackten Beinen und schlanken Fesseln unterhalb der ausgebeulten, abgeschnittenen Hose. Was er sah, gefiel ihm, und sein Mund verzog sich halb amüsiert, halb anerkennend zu einem schiefen, begehrlichen Grinsen.
    Doch die prachtvolle Amazone vor ihm war alles andere als amüsiert. Sie funkelte ihn scharf an. Gray beeindruckte das allerdings nicht. Er löste seine Schärpe, ließ die tropfenden Schaftstiefel auf den Boden fallen und verbeugte sich höflich und tief.
    »Jeder Eurer Wünsche«, sagte er übertrieben deutlich und holte zu einer alles umfassenden Geste mit dem Arm aus, »ist mir Befehl.«
    Maeve fand das immer noch nicht komisch. Ihre Gefolgsleute ebenso wenig. Selbst den Papagei, der auf einer Stange am Fenster hockte, schien es nicht zu amüsieren. Maeves Lippen wurden weiß vor Zorn, und das Entermesser fuhr über Grays Brust, sodass ein Blutstropfen hervorquoll.
    »Kniet nieder«, befahl sie im herrischen Ton einer Monarchin.
    »Wie bitte?«
    »Ich habe gesagt, kniet nieder, verdammt!«
    Gray ließ seinen Blick betont langsam an dem mächtigen Messer und dem Arm, der es hielt, entlangwandern, bis er wieder in Maeves zornige goldbraune Augen sah. Er lächelte fein. Sie stellte keine große Bedrohung für ihn dar. Zweifellos konnte er sie im Handumdrehen entwaffnen - sie war nur eine Frau, noch dazu eine junge. Gnädig beschloss er jedoch, sie vor ihrem feindseligen Pack von Flintenweibern nicht zu demütigen. Lässig schob er das Messer beiseite und sagte: »Mylady, ich knie vor niemandem nieder.« Damit drehte er sich auf dem Absatz um und wollte gehen.
    Ein Messer zischte an seinem Ohr vorbei und drang tief in den Türrahmen aus Mahagoni ein, knapp neben seiner Nase. In diesem Moment wurde Gray klar, dass er die Lage definitiv - und schnellstens - neu einschätzen musste.
    Seine Belustigung verflog augenblicklich, und er griff nach seinem Dolch.
    »Finger weg«, ertönte Maeves Stimme. »Wenn Euch Euer Leben lieb ist.«
    Ja, er musste die Lage sogar sehr gründlich neu einschätzen.
    Es wurde totenstill im Raum. Von irgendwoher hörte Gray seinen eigenen hämmernden Herzschlag, und plötzlich nahm er seine Umgebung bis in alle Einzelheiten wahr: die sturmgepeitschten grünen Zweige vor dem Fenster, die vom Regen glänzten, die unruhige See in der Bucht mit den weißen Schaumkronen weiter draußen, den warmen Hauch von Wind und Regen, die plötzlichen Schweißperlen auf seiner Stirn, die Kälte des Bodens unter seinen Füßen. Dann stieß ihm jemand eine Pistole gegen den Schädel, eine weitere in den Rücken, und er spürte, dass sie hinter ihn trat.
    Langsame, gemessene Schritte. Das leise Rascheln ihrer Kleidung. Ihr brennender Zorn, als sie näher kam.
    Sie, die Frau, an deren Existenz er nicht geglaubt hatte - was er nun bereute. Die Frau, von der es hieß, dass sie ebenso kurz entschlossen eine wuchernde Trichterwinde abschnitt wie eine Zunge, die für ihren Geschmack zu viel redete.
    »Anmaßender Dreckskerl!«, zischte sie ihm ins Ohr, wofür sie sich auf die Zehenspitzen stellte. Dann brüllte sie wie eine wütende Löwin: »Wie könnt Ihr es wagen, herzukommen und mich zu beleidigen?«
    Selbst der Wind schien verschüchtert innezuhalten und es nicht zu wagen,
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