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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel
Autoren: Greg Bear
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wurde eingefroren. Das Verblüffendste…«
    Madame de Roche kam rasch und wie eine Heilige die Treppe herabgeglitten. Blauer Chiffon wehte hinter ihr drein, rotes Haar fiel sanft auf ihre Schultern. Richard hielt inne und lächelte, wobei er seine großen, unregelmäßigen Zähne zeigte.
    »Was für eine nette Gruppe«, begrüßte Madame de Roche sie strahlend. Sie fixierte ihre Getreuen scheinbar unterschiedslos mit Saphiraugen, die von auf natürliche Weise erworbenen Fältchen umgeben waren. Ihr mütterliches Gesicht strahlte gute Laune und liebevolle Sympathie aus, obwohl sie im Grunde gar nicht lächelte. »Es ist mir stets ein Vergnügen. Entschuldigen Sie meine Verspätung. Fahren Sie doch fort.«
    »Richard war am Schauplatz eines Verbrechens«, erklärte Nadine.
    »Wirklich?« Madame de Roche war am Fußende der Treppe angelangt. Ihre Elfenbeinhand lag auf der ebenholzschwarzen Holzkugel. Leslie Verdugo kam zu ihr. Madame strahlte sie kurz an, dann richtete sie ihre gesamte Aufmerksamkeit auf Richard.
    »Ich bin von einer ganz erstaunlichen Frau verhört worden, einer PD in Uniform, tintenschwarz, aber nicht negroid. Ich glaube, sie wollte mich anfangs beschuldigen, das Verbrechen begangen zu haben, oder mich zumindest der Fahrlässigkeit gegenüber der Allgemeinheit zeihen, weil ich Emanuel nicht gemeldet habe. Ich fragte mich: War das die Nemesis, die gekommen ist, um mir die Rechnung zu präsentieren?«
    »Fangen Sie nochmal von vorn an«, sagte Madame de Roche. »Ich glaube, ich habe da etwas verpaßt.«

Ohne Leid keine Freud. Die Welt ist ein unwirtlicher Ort. Hier wird uns nichts geschenkt. Wir quälen einander. Dies Geschlecht ist wie Säure in einer engen Metallrinne; wir ätzen. Hoffnung?
     
3
     
    In einer vergessenen, mythischen Zeit war die Küste von Südkalifornien eine braune staubige Wüste gewesen, in der es nur Indianer Spanier Mestizen Buschwerk und uralte verkrümmte Pinien gegeben hatte. Jetzt war sie von zwanzig Kilometern unterhalb von Big Sur bis zur Spitze der kalifornischen Halbinsel ein weitläufiges Band von Gemeinden, verbunden durch Straßen mit automatischem Leitsystem, ernährt von Entsalzungsanlagen und von Schmelzwasser aus den Bergen, das bis von Kanada herangeführt wurde, durchsetzt von den Türmen von Santa Barbara den riesigen tagsüber verspiegelten Combs von Los Angeles Tausendfüßlersegmenten von South-Coast-Monumenten und den wild wuchernden gerundeten keramischen Gewölben und Turmspitzen von San Diego. Eingebettet zwischen die Entsalzungsanlagen und Atomkraftwerke von San Onofre und San Diego schlummerten wie Inseln in dieser Titanenschlacht an der Küste und im Landesinneren die Gründlingsenklaven von La Jolla und Del Mar unter einer Decke aus verblichener Eleganz und Erinnerung an den Ruhm vergangener Zeiten.
    In diesen Städten, die an das weitläufige Gelände der Universität von Kalifornien in San Diego angrenzten, gab es Hunderttausende von Atavisten, die so schlicht leben wollten wie in der Vergangenheit. Die einstmals allgegenwärtigen Ärzte, Rechtsanwälte und Firmenchefs hatten ihre Strandpaläste schon vor Jahrzehnten aufgegeben und waren in die Monumente mit ihrem zentralisierten Komfort gezogen; altmodische Akademiker und Gelehrte hatten ihren Platz eingenommen.
    Herr Professor Doktor Martin Burke, E.S.B.&E. – Einst Sehr Berühmt und Einflußreich – hatte den Monumenten und dem Busen der Hochhaus-Society erst vor kurzem den Rücken gekehrt und war in die Flachlandslums umgezogen. Er hatte eine alte, nicht ruinös teure Wohnung in den Hügeln landeinwärts von La Jolla gefunden, und hier saß er nun, hatte kaum noch genug Kraft, um an sein läutendes Telefon zu gehen, und versuchte ein wenig Begeisterung für die bevorstehende Ausstrahlung des neuesten LitVid 21-Berichts über AXIS auf dem offenen Kanal aufzubringen. Hier wurde immerhin Geschichte geschrieben.
    Er stellte den schwebenden Kopf und die Schultern eines Ansagers leiser und streckte beim dritten Klingeln die Hand aus, um sich zu vergewissern, daß der Bildteil des Telefons ausgeschaltet war. Dann sagte er: »Ich nehme den Anruf an.« Das Telefon stellte die Verbindung her. »Hallo.« Martins Stimme war heiser und phlegmatisch. Er klang wie sechzig, dabei war er gerade erst fünfundvierzig.
    »Ich möchte Martin Burke sprechen, bitte.« Eine angenehme, dynamische männliche Stimme.
    Er hustete. »Am Apparat.«
    »Mr. Burke, Sie waren früher am IPR tätig, dem Institut für
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