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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel
Autoren: Greg Bear
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Psychologische Forschung…«
    »Früher, ja.« Pause. Hörte sich an wie ein Journalist. »Ich hatte nichts mit…«
    »Nein, natürlich nicht. Mein Name ist Paul Lascal, Mr. Burke. Ich bin kein Reporter, und die Raphkind-Skandale interessieren mich nicht. Mich interessiert, was Sie über das IPR wissen. Wäre es wohl möglich, bald einmal mit Ihnen persönlich zu sprechen?«
    Eine LitVid-Simulation von AXIS selbst hing vor ihm in der Luft. Der Ton war sehr leise. Das Raumfahrzeug wurde mit weit ausgestellten Bremsschaufeln gezeigt, ein spinnenartiges Ding im tiefen Raum. Die Schaufeln fuhren mit unrealistischer Geschwindigkeit ein, und die Kinder von AXIS erröteten wie tausend von der Schwerkraft zu einem Fahneneffekt verschmierte Handvoll kleiner Münzen in einer grauen pointillistischen Kurve um den zweiten Planeten von Alpha Centauri B herum.
    »Das letzte, worüber ich sprechen möchte, ist das IPR«, sagte Martin. »Woher haben Sie meine Nummer?«
    »Ich vertrete Mister Thomas Albigoni.« Lascal machte eine Pause, damit er ein Zeichen des Erkennens von sich geben konnte, und fuhr dann zügig fort, als nichts kam. »Carol Neuman hat ihm Ihren Namen und Ihre Telefonnummer gegeben. Sie dachte, Sie würden ihm vielleicht helfen können.«
    »Ich wüßte nicht, wie. Ich arbeite seit einem Jahr nicht mehr beim IPR. In welcher Beziehung steht Carol denn zu Mr. Albigensi…«
    »Albigoni. Mister Thomas Albigoni. Sie war Therapeutin seiner Tochter. Die beiden hatten sich angefreundet. Soweit ich weiß, stehen Sie sich nicht mehr so gut mit den Regulatoren. Das könnte Sie für uns doppelt so nützlich machen. Nur eine kurze Unterredung. Sagen wir, beim Essen?«
    Martin warf einen Blick auf das Durcheinander in seiner kleinen Küche. Er hatte noch nicht die Energie aufgebracht, den Wohnungsarbeitern zu befehlen, dort Ordnung zu schaffen. Er hatte seit dem frühen Abend des gestrigen Tages nichts mehr gegessen. »Sie scheinen zu glauben, ich müßte wissen, wer Mr. Albigoni ist.«
    »Er ist Verleger.«
    »Oh? LitVids?«
    »Und Bücher«, sagte Lascal spitz. »Viel mehr Lit als Vid.«
    »Ist er auf ein Expose aus?«
    »Nein. Es geht um etwas ganz anderes.«
    Martin rieb sich die Nase. »Wenn das so ist – und weil es Carol ist –, bin ich möglicherweise einverstanden.«
    »Kennen Sie…« Lascal nannte ein sehr teures Restaurant am Strand von La Jolla.
    »Ja.«
    »Ungefähr in einer Stunde? Fragen Sie einfach nach Mr. Albigonis Tisch.«
    Martin grunzte zustimmend und legte auf. Er lehnte sich in die weichen Kissen seines betagten Lehnstuhls zurück. Auf dem abgenutzten Kaffeetisch lag eine schmale gedruckte Prachtausgabe seines zwanzig Jahre alten ›Atlas des menschlichen Gehirns‹, eines Werks aus seiner grünen Jugend, das später reichlich Früchte getragen hatte. Irgendwann letzte Nacht hatte er es betrunken bei einer Bildtafel des Geruchsnervs und des olfaktorischen Systems aufgeschlagen. Neben das Bild hatte er einen primitiven Vampir gezeichnet, von dessen Zähnen Tränen aus Blut tropften; verästelte Pfeile verbanden die Zeichnung und das rosaweiße Blumenkohlfleisch des Kortex präpiriformis, den Riechkolben und das Rhinencephalon.
    Vom Lehnstuhl aus konnte er in das kleine Schlafzimmer der Wohnung schauen. Ein hoher Metallbehälter in einer Ecke hinter dem Bett enthielt aufeinandergestapelte Datenwürfel. Martins Leben hatte sich um diese Würfel gedreht, bis der Sturz und der Selbstmord von Präsident Raphkind die neue Ära der Untersuchungen und der konstitutionellen Säuberung eingeleitet hatten. Er war nicht in die Raphkind-Skandale verwickelt gewesen – jedenfalls nicht direkt –, aber sie hatten sich trotzdem auf seine Forschungen eingeschossen. Das FBI hatte das Institut dichtgemacht und auf diese Weise dafür gesorgt, daß er seiner wahren Berufung entsagen mußte.
    Er drehte den Ton des AXIS-Berichts laut, drückte sich mit Gewalt aus dem Lehnstuhl hoch und ging ins Badezimmer, um sich zu rasieren und sich anzuziehen.
    Früher einmal hatte Martin die Landschaft des Geistes bereist. Jetzt mußte er Essenseinladungen von neugierigen Fremden annehmen, nur um aus seinen vier Wänden herauszukommen.

Wozu eine Brille aufsetzen? Wozu aufpassen und nach vorn blicken? Das ist nicht deine Richtung. Meine auch nicht. Wir sind alle Moses, der nach Kanaan hineinschaut. Wen zum Teufel kümmert es, ob unsere Kinder dorthin gelangen? Meine Güte, heute abend waren wir aber wieder mal giftig,
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