Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
zunickte, und wurde von der großen Gemeinschaft der Untherapierten aufgesogen. Vierzehn von Madame de Roches Getreuen gruppierten sich um die Treppe und liefen mit leisen Hausschuhen oder lauten, harten Plastiksohlen auf dem kühlen roten Granitboden herum. Drei junge, langhaarige Akademikerinnen bestaunten einen frühen Shilbrage in einem Alkoven; zwei Männer im Smoking diskutierten raffinierte geschäftliche Transaktionen in den Schattenbanken; vier Dichter in Jeans bildeten einen Kreis und bewunderten gegenseitig ihre handgedruckten Flugblätter. Sie hatten ihre besten Sachen an, außer wenn es ihre Philosophie anders wollte, hielten geziert ihre Drinks in den Fingern und nickten, als er vorbeikam; Richard stand nicht im Vordergrund, diesen Monat nicht. + Freunde aber sie würden keinen Finger rühren wenn ich fiele. Figuren wie von Petronius. Gott sei mir gnädig sie sind alles was ich habe oder verdiene.
    In einem Sessel etwas abseits von dieser sich ausdehnenden Gruppe saß Madames ausgemachte Favoritin des Monats, Leslie Verdugo, eine reizende Dame aus alter Familie, eine weißhaarige Erscheinung, mit der Richard noch nie geredet hatte, vielleicht aus Schüchternheit, aber wohl eher deswegen, weil sie ununterbrochen verklärt lächelte, und das zog ihn nicht an. Ein New Yorker namens Geraldo Francisco, der sich auf das Drucken nach alten Methoden spezialisiert hatte, saß ihr an einem Mehrzwecktischchen mit einer Glasplatte gegenüber. Raymond Cathcart, der sich als Ökologe bezeichnete und Gedichte schrieb, die hin und wieder etwas in Richard anrührten, ihn jedoch meistens langweilten, näherte sich ihnen schüchtern. Siobhan Edumbraga, eine Exotin in Sprache und Benehmen, aber in allen körperlichen Dingen ungeschickt und gelegentlich auch eindeutig primitiv, eine Unschuld ohne jegliches feststellbares Talent löste sich aus dem Kreis der Dichter, um sich zu dieser neuen Attraktion zu gesellen. Sie hatte sich ihren Namen ausgedacht; er wußte nicht, wie sie wirklich hieß.
    Richard fand seinen Platz im Kreis der Dichter und hing gebeugt über ihnen. Sein ernstes Adlergesicht und die wäßrigen grauen Augen zeigten keinen Eifer; er wartete geduldig auf seinen Moment. Die Nachricht von einer aktuellen, progressiven Beleidigung der Nanokünste oder eines anderen skandalträchtigen Mediums nötigte ihnen allen haßerfülltes und neidisches Gelächter ab. Die Mittel der Combs ließen sie wie Kinder aussehen, die mit Plastilin spielten. Sie waren Individualisten, und ihre untherapierten Unehrlichkeiten und schrägen Wahrnehmungen waren ihnen lieb und teuer; sie fanden, daß natürliche Mängel für die Kunst notwendig seien. Richard war der gleichen Meinung, nahm das Ganze jedoch nicht so ernst. Immerhin gab es grandiose Errungenschaften in den Combs, im Vergleich zu einem Haufen ungezogener Flugblätter in den verschwitzten Händen minderwertiger Poeten. + Sich selbst zu lieben heißt therapiert zu werden. Selbsthaß ist Freiheit.
    »Kommt nicht oft vor, daß Richard so spät dran ist«, sagte Nadine, die auf einmal von außerhalb des Kreises und von hinten auf ihn zu trat. Sie war in Rot gekleidet. Nadine Preston war so alt wie er, war jedoch erst kürzlich durch eine haarige Scheidung den Privilegien der Combs entronnen. Ihr glattes Gesicht und die schwarzen Haare umkränzten ein reizendes Kinderlächeln. Vor seinem geistigen Auge leuchtete blitzartig die Erinnerung an ihren schlanken Körper auf. Dreiviertel der Zeit war sie richtig süß, ein Viertel jedoch eine Harpye mit Maskaraaugen. In ihren guten Zeiten war sie sein letzter sexueller Trost, und Richard blieb nie so lange, bis sie ihre Anfälle bekam.
    »Ich hatte ein Abenteuer«, sagte er leise, die grauen Augenbrauen hochgezogen.
    »Ach ja?« drängte Nadine, aber der Kreis stieg nicht darauf ein; die Unterhaltung strömte ganz einfach weiter dahin.
    + War dies die Nemesis die gekommen ist um mir die Rechnung zu präsentieren? Guter Satz.
    »Emanuel Goldsmith ist verschwunden.« Seine tiefe Stimme war immer noch leise, aber deutlich zu vernehmen. »Das LAPD fahndet nach ihm.«
    Die Dichter drehten die Köpfe. Er hatte ein paar Sekunden, um sie an die Angel zu kriegen. »Die Bürgerschützer haben mich über ihn vernommen«, sagte Richard. »Vorgestern nacht sind acht Menschen ermordet worden. Ich war bei Emanuels Wohnung im dritten Fuß von Ost-Comb Eins. Der Fahrstuhl war blockiert, und es wimmelte von PDs und allen Arten von Arbeitern. Der Raum
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher