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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
Autoren: Bernhard Hennen
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den Nacken und wieherte. Hartmann zog die Zügel straff und hielt inne. Es roch nach Rauch. Der Wind war schärfer geworden und schnitt wie mit Messern durch seinen Umhang. Das Schneetreiben nahm ihm fast jede Sicht. Undeutlich erkannte er einen bewaldeten Hügel, der abseits des Weges direkt am Ufer des Rheins lag.
    Hartmann verließ den Weg und blickte noch einmal zurück. Finsternis hatte den Horizont verschlungen. Bald würde der Sturm sie erreicht haben. Mühsam kämpfte sich die Stute den Hang hinauf. Über ihnen heulte der Wind in den Baumwipfeln.
    Vage konnte er die Umrisse eines Turms erkennen. Auf der Kuppe des Hügels lag ein großes, befestigtes Gehöft. Doch das hohe Tor war versperrt.
    Hartmann sprang aus dem Sattel, zog seinen Dolch und hämmerte mit dem Knauf gegen die verschlossene Mannpforte. »He!« Seine Stimme ging im Getöse des Sturms fast unter. »Hört mich denn keiner? Ich bin ein Reisender und fordere das Gastrecht!«
    Er presste die Wange gegen das gefrorene Holz und spähte durch den Spalt zwischen den beiden Flügeltüren. Sollte es keine Torwache geben? Esseilte riss ihm die Zügel aus der Hand und wieherte.
    Eine Windböe fuhr heulend durch die Dachsparren des
Turms. Hartmann fluchte. Hätte er nur ein Horn! In diesem Sturm würde man ihn niemals hören. Wieder begann er mit dem Knauf der Waffe gegen das Tor zu hämmern.
    Als seine Faust von den Schlägen schon ganz taub geworden war, gab er endlich auf. Kalter Schweiß rann ihm von der Stirn. Es musste einen anderen Weg geben! Er spähte durch den Spalt zwischen den beiden großen Torflügeln. Wenn sie nicht mit einem zu schweren Balken versperrt waren, könnte er den Riegel vielleicht mit seinem Schwert hochdrücken.
    Die Stute schnaubte unruhig und scharrte mit den Hufen im Schnee. Hatte sich am Fenster des Turms etwas bewegt? Hartmann kniff die Augen zusammen und spähte hinauf. Dort war nichts zu sehen.
    »Was für ein ungastliches Haus!«, fluchte er und zog sein Schwert. Konnte es denn sein, dass so früh am Abend schon alle schliefen? Die Sonne war doch kaum hinter dem Horizont verschwunden!
    Gerade wollte er sein Schwert durch den Spalt zwischen den Torflügeln schieben, als im Hof ein blasses Licht erschien. Ein Knecht mit einer Laterne hastete zum Tor. Die Mannpforte öffnete sich.
    Hartmann trat einen Schritt zurück. Sein Gegenüber hielt die Laterne so hoch, dass ihr Licht ihn blendete.
    »Wer seid Ihr?«, fragte der Pförtner barsch.
    »Ein Ritter und Dichter, Hartmann von Ouwe geheißen. Ich bitte um das Gastrecht und um einen Platz am Feuer für diese Nacht. Morgen schon werde ich weiterreisen und …« Nun, wo sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten, konnte Hartmann sein Gegenüber erkennen. Es war ein kleiner Mann mit faltigem Gesicht und tiefliegenden
blassen Augen. Er schien ängstlich, so als fürchte er, einem Halsabschneider das Tor geöffnet zu haben.
    »Bittet mich nicht, Euch diese Schwelle überschreiten zu lassen, Herr. Dies Haus ist verflucht, und alle, die …« Er schüttelte den Kopf. »Versucht es eine Meile flussaufwärts. Dort wird man Euch …«
    »Bist du toll? Hörst du denn den Sturm nicht? Außerdem ist es finster. Ich würde nicht einmal den Weg von diesem Hügel hinunterfinden!«
    »Gero!« Eine tiefe Stimme übertönte den heulenden Wind.
    Der Knecht zuckte zusammen und drehte sich um.
    Die Mannpforte schwang nun ganz auf. Hartmann musste sich ducken, um die niedrige Tür zu durchschreiten.
    »Ich habe Euch gewarnt, Herr«, flüsterte der Knecht und blickte dabei ängstlich über die Schulter. »Viel gibt’s hier nicht zu beißen. Wir hatten eine schlechte Ernte dieses Jahr, und unser Herr …« Gero schüttelte den Kopf. »Das ist einer, den keiner freiwillig besuchen kommt.«
    »Wie meinst du das?«
    »Das werdet Ihr schon sehen, Herr.« Der Knecht griff nach Esseiltes Zügeln.
    »Wie heißt dein Herr?«, fragte Hartmann ungeduldig.
    »Ingerimm von Waldeck. Aber keiner hier glaubt, dass dies sein richtiger Name ist. Er hat … Aber was zerreiß ich mir das Maul. Geht nur in die Halle! Ihr habt ja Augen zu sehen.«
    Als Gero keine Anstalten machte, noch irgendetwas zu sagen, nahm der junge Ritter seine Decke und die in Leder eingeschlagene Laute vom Sattel. Wie ein Blinder tastete er sich in dem immer stärker werdenden Schneetreiben
über den Hof, bis er die Tür zum Langhaus fand. Er betrat eine winzige Kammer, in der eine flackernde Kerze brannte. Ein Vorhang aus dichter Wolle
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