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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
Autoren: Bernhard Hennen
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schweren Bronzefibel, die den Umhang schloss, herum. Er atmete noch einmal tief ein, dann stellte er sich dem Unausweichlichen. Mit lang einstudierter, galanter Geste warf er den Umhang ab. Er breitete ihn über die Stuhllehne zum Trocknen. Keine verstohlenen Blicke! Niemand belächelte seine Gestalt! Erleichtert wischte er sich das nasse lange Haar aus der Stirn und nahm im Lehnstuhl Platz. Es tat gut, vor dem Feuer zu sitzen
und von kräftigen Frauenhänden die Waden massiert zu bekommen, bis die Wärme auch dorthin zurückkehrte. »Verzeiht, doch wäre es zu kühn, nach Eurem Namen zu fragen, Herrin?«
    »Ich heiße Gudrun.« Sie lächelte kokett, bevor sie wieder den Blick senkte und ihm nun auch seine feuchten Schuhe auszog.
    Hartmann sah in das Feuer. Das Schweigen in der Halle war bedrückend. Gudrun … Er dachte an die Gudrun-Saga. An das traurige Los der Heldin. Der Name passte zu seiner Gastgeberin!
    Dicht beim Feuer saßen fünf Kinder und spielten stumm mit Puppen aus geflochtenem Stroh. Nicht einmal sie wagten es, zu ihm herüberzusehen. Was, zum Henker, mochte das für ein Hausherr sein, der unter seinem Gesinde solche Angst verbreitete?
    Der junge Ritter öffnete die Lederhülle seiner Laute und strich spielerisch über die Saiten des Instruments. Mit kundiger Hand entriss er es dem stummen Schlaf. Und die düstere Halle schien wie von einem Zauber berührt.
    Eines der Mädchen am Kamin blickte von seiner Puppe auf. Es hatte flachsfarbenes Haar. Hartmann lächelte ihm zu.
    »Seid Ihr ein Spielmann, Herr?«, fragte Gudrun leise.
    »Ich beherrsche die Kunst des Lautenspiels nicht gut genug, um mich einen fahrenden Sänger zu nennen.« Er winkte der Kleinen. Zögernd stand sie auf. Hartmann wusste, dass es am leichtesten war, Kinderherzen zu gewinnen, und wenn die Kinder ihm erst einmal zuhörten, dann würden auch die anderen bald dichter ans Feuer rücken. Wieder glitten seine Finger über die Saiten. Nun lächelte auch das Mädchen. Mit großen Augen musterte sie das Instrument.

    »Hol deine Kameraden, kleine Prinzessin, und wir beraten, was für eine Geschichte ich euch vortrage.« Sie sah ihn mit ihren großen braunen Augen an und nickte dann schüchtern.
    »Habt Ihr Kinder?«, fragte Gudrun. Sie saß vor ihm, hatte die Beine angezogen und mit den Armen umschlungen. Ihr Kinn stützte sie auf die Knie. Im Licht des Feuers schimmerten ihre Haare wie dunkles Kupfer.
    Hartmann schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Kinder. Aber sie sind stets meine aufmerksamsten Zuhörer. Die Geschichtenerzähler und die Kinder, sie sind durch ein unsichtbares Band miteinander verbunden.«
    »So wie die Dichter und die Frauen?«
    Der junge Ritter lachte leise. »Nein, Gudrun, dies ist ein anderes Band.« Er blickte tief in ihre grünen Augen. »Das weißt du, nicht wahr?«
    Statt einer Antwort lächelte sie auf eine Weise, die Hartmann das Blut in die Wangen schießen ließ.
    Jemand zupfte sacht an seinem Ärmel. Das kleine Mädchen war zurückgekommen und hatte seine Spielgefährten mitgebracht. Erwartungsvoll blickten fünf Augenpaare zu ihm auf.
    »Nun, was für eine Geschichte wollt ihr hören?«
    Ein Junge mit verkrusteter Nase schob das Mädchen mit dem Flachshaar vor. Es schaute verlegen zu Boden. »Von einer Prinzessin«, flüsterte es leise. Ein dunkelhaariges Mädchen nickte begeistert, während der Junge, der seine Kameradin vorgeschoben hatte, verzweifelt mit den Augen rollte.
    »Und was will der junge Mann hören?«, fragte Hartmann freundlich.

    »Von Rittern … und einer Schlacht …«, stotterte der Junge verlegen.
    »Und von Drachen oder besser einem Ungeheuer und dem wilden Meer!«, mischte sich ein anderer ein, der Mut gefasst hatte zu sprechen.
    Hartmann strich sich nachdenklich über das Kinn. »Das ist wahrlich keine leichte Aufgabe, die ihr mir hier stellt.«
    »Belästigt unseren Gast nicht mit euren unmöglichen Wünschen«, warf Gudrun ein. »Ihr solltet euch zum …«
    »Nicht«, unterbrach der Ritter die Kebse. »Ihr könnt sie nicht dafür tadeln, dass sie getan haben, wozu ich sie aufgefordert habe. Ich fürchte, ich muss nun die Suppe auslöffeln, die ich mir in meinem Hochmut eingebrockt habe.« Er lächelte und nickte den Kindern zu. So überraschend und ungewöhnlich waren ihre Wünsche nicht. Aber er würde sich hüten, den Zauber des Augenblicks zu zerstören, indem er dies Geheimnis mit ihnen teilte. »Kommt, setzt euch zu meinen Füßen.« Hartmann strich über die Saiten der
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