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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
Autoren: Bernhard Hennen
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Akkord beendete Hartmann die Ballade und griff nach seinem Humpen. Das Bier war dünn und bitter, aber dafür kostete es ihn nichts. Ein Mittagsmahl für ein paar Lieder, das war stets ein gutes Geschäft.
    Zufrieden betrachtete der junge Ritter seine Zuhörer: Handwerker und ein paar Bauern, die an diesem grauen Wintertag zum Zechen in die kleine Stadt gekommen waren. Kaum war das Lied verklungen, tuschelten sie miteinander und erzählten sich von Kälbern mit zwei Köpfen, unheimlichen Spuren im Schnee oder dem Hexenspuk an einem einsamen Wegkreuz auf den Feldern. So war es stets, wenn er ein Lied vom Teufel sang.
    Mit dem letzten Stück Brot wischte Hartmann das Bratenfett aus seiner Holzschüssel und schob genüsslich kauend seine Laute in die lederne Hülle. Wenn er sich beeilte, würde er noch vor Einbruch der Nacht bis zum nächsten Dorf kommen. Einen ganzen Nachmittag in einer Schenke
zu vertrödeln, konnte er sich nicht leisten. Er hatte sich geschworen, bis zum Dreikönigsfest in Cöln zu sein und dort das Kreuz zu nehmen, um sich alsbald dem Heerzug des Kaisers anzuschließen. An der Seite der edelsten Ritter des Reiches würde er reiten, um das Heilige Jerusalem zu befreien!
    »Ihr junges Volk habt gut reden, wenn ihr vom Teufel singt und eure Späße über den Leibhaftigen macht«, ereiferte sich ein kahlköpfiger Bauer. »Aber wenn ihr vor ihm steht, dann rutscht auch euch das Herz in die Hose, und plötzlich seid ihr dann so maulfaul wie ein toter Fisch! Und du«, der Alte sah den jungen Ritter an, »auch du, der du so lang wie ein Baum bist, wirst dir wünschen, ein Mäuschen zu sein, das sich noch im kleinsten Loch verstecken kann, wenn du ihm wahrhaftig begegnest!«
    Hartmann nahm seinen Umhang von einem Stuhl, der dicht vor dem offenen Kamin stand. »Wir sind doch hier unter guten Christenmenschen, Alter. Wollen wir hoffen, dass keiner zum Teufel fährt und eines Tages hören muss, ob deine Worte wahr sind.« Der junge Ritter lachte, doch keiner der anderen Gäste fiel in sein Lachen ein.
    »Hier muss man nicht bis zur Hölle hinabsteigen, um einem Schergen des Gottseibeiuns zu begegnen«, murmelte der Glatzkopf finster. »Seit den Zeiten des Erzbischofs Rainald von Dassel haust ein Unhold, den die Hölle ausgespien hat, keine zwei Stunden von hier. Wenn du Mumm hast, dann spiel dort einmal auf. Solltest du aber Verstand haben, dann nimm die Straße nach Cöln und sieh zu, dass du deiner Wege kommst.«
     
    Der Wind, der über den Rhein herüberwehte, und die tanzenden Schneeflocken hatten die Wegspur vor dem einsamen
Reiter fast ausgelöscht. Seine lange und hagere Gestalt wurde durch die schwere Winterkleidung verborgen. Wie ein Stecken auf einem Pferd sähe er aus, so hatte man ihn oft verhöhnt, seine lange Nase mit einem Rabenschnabel verglichen und das dicke, strähnige Haar mit Rattenschwänzen. Aber mit den Jahren hatte er gelernt, sich zu wehren!
    Hartmann sah über die Schulter zu den schwarzen Wolkengebirgen, die von Norden her über das Land krochen, das unter einem eisigen Leichentuch lag. Er hätte in Xanten, in Ad Sanctos bleiben sollen, dachte der junge Ritter reumütig. Bei den Heiligen, dieser Stadtname war ein Omen gewesen! Jetzt umzukehren hieße allerdings, dem Sturm entgegenzureiten. Das Städtchen lag schon mehr als zwei Meilen hinter ihm. Sollte er es wagen? Oder doch lieber nach dem Gehöft suchen? Weit konnte es ja nicht mehr sein.
    Knirschend schoben sich Eisplatten auf dem Fluss übereinander. Seine Stute schnaubte unruhig. Er streichelte sie zwischen den Ohren. »Ruhig, Esseilte. Wir werden schon einen hübschen, warmen Stall für dich finden.«
    Mit leichtem Schenkeldruck trieb er das Pferd voran. Es gab kein Zurück! Es blieb ihm nur noch wenig Zeit, das Ziel seiner Pilgerfahrt zu erreichen. In vier Tagen schon war das Dreikönigsfest, und er hatte noch fast hundert Meilen vor sich.
    Hartmann nahm den Zügel in die Linke und rieb die steifgefrorene Rechte über seine wollene Hose, bis mit stechendem Schmerz Wärme und Leben in seine Finger zurückkehrten. Schon vor dem Weihnachtsfest hätte er seine Reise beginnen sollen, und zwar zu Fuß, wie es sich für einen
ordentlichen Pilger gehörte! Als ahne sie seine Gedanken, schnaubte die Stute.
    »Dir steht es nicht zu, mich zu maßregeln«, brummte der junge Ritter ärgerlich. »Wenn ich Esel mit mir selbst ins Gericht gehe, dann heißt das noch lange nicht, dass ich es den Pferden zugestehe.«
    Esseilte warf den Kopf in
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