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König Mythor

König Mythor

Titel: König Mythor
Autoren: Horst Hoffmann
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in den Himmel. Weiße Wände mit runden Torbögen darin erhoben sich, bis sie zwischen den Türmen kuppelförmig zusammenliefen. Mythor sah in der Sonne blitzende Dächer, die zur Spitze hin spiralförmig gewunden waren. Mehrere Reihen übereinanderliegender Zinnen umliefen den gesamten Palast.
    Fanfaren wurden geblasen, und Männer in prachtvollen Rüstungen kamen aus den Toren geritten, um Mythor zu flankieren.
    »Deine Krieger, mein König«, flüsterte Viliala. »Und dein Palast.«
    *
    Als Mythor mit Viliala den Palast betrat, bekam er recht bald eine Vorstellung davon, was ihn erwartete. Die Palastwache bildete ein Spalier bis zur gewaltigen Treppe, die hinauf zum Thronsaal und den Gemächern des Königs führte. Zwischen und hinter den Männern mit dem Löwen auf dem Brustteil ihrer Rüstungen standen andere, phantasievoll gekleidet und teilweise mit tiefbrauner Hautfarbe, die ihn unterwürfig grüßten, dabei aber ihre offensichtliche Bestürzung darüber, dass ihr König den Palast in einem Fellrock und Lederwams betrat, nur schlecht verbergen konnten.
    Schon jetzt nahmen sie mit den Augen Maß für neue Gewänder.
    Hinter mannsdicken Marmorsäulen standen Mädchen in mehr oder weniger durchsichtigen Kleidern aus feinstem Stoff. Sie neigten scheu die Köpfe, als sie Mythors Blick begegneten. Einige von ihnen trugen Schleier vor dem Gesicht, doch große dunkle Augen musterten ihn neugierig von oben bis unten.
    »Es sind die Hofjungfern, mein König«, flüsterte Viliala, als sie Mythors Stirnrunzeln bemerkte. »Sie werden dich schmücken, salben und...«
    »Das muss warten!« sagte Mythor. Er brachte ein Lächeln zustande und nahm Vilialas Arm. Am oberen Ende der Treppe sah er Hapsusch und einige Männer auf ihn warten. »Schon gut, Viliala. Aber zunächst will ich wissen, wie es in der Stadt aussieht. Wer ist der Hauptmann der Palastwache?«
    Das Mädchen deutete auf einen schlanken, hochgewachsenen Mann am Ende der Reihe der spalierbildenden Wachen. Mythor erkannte ihn. Er war es gewesen, der die Salamiter abgewiesen hatte.
    »Nahir«, sagte Viliala.
    Mythor ging auf ihn zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Der Leoniter zuckte unter der Berührung leicht zusammen, hielt aber Mythors Blick stand.
    »Schick Kuriere in den Teil der Stadt, in dem die Pflanzen wüteten, Nahir!« ordnete Mythor an. »Sie sollen sich umsehen und mir berichten. Ich muss wissen, ob auch in anderen Bezirken solche Pflanzen aufgetaucht sind. Falls dies so ist, dann bekämpfe sie mit Feuer, denn nur Feuer kann sie vernichten.«
    »Ich selbst werde reiten, mein König«, versicherte der Hochgewachsene.
    Mythor nickte und bestieg die Treppe. Viliala blieb in der Halle zurück. Hinter ihm begannen die Hofjungfern zu tuscheln, und die Schneider und Diener beeilten sich, aus der Halle zu verschwinden.
    Kostbare Teppiche bedeckten die Stufen aus Marmor und große Teile der Wände. Geschliffene Kristalle hingen von der gewölbten weißen Decke herab und bildeten Trauben um brennende Öllampen, wodurch sie ein berauschendes Lichterspiel auf die Wände zauberten.
    Hapsusch erwartete Mythor mit unbewegter Miene. Als einziger schien der greise Lebensgärtner nicht von der Begeisterung über sein Auftauchen angesteckt zu sein. Mythor versuchte, im Gesicht des in ein einfaches weißes Gewand gekleideten alten Mannes zu lesen, doch es war starr wie eine Maske.
    Mythor fragte sich, was sich hinter der Bezeichnung »Lebensgärtner« verbarg, als er Hapsusch gegenüberstand. Offensichtlich war nur, dass Hapsusch großen Einfluss auf die Leoniter hatte.
    »Es schmerzt unsere Herzen, dass unserem neuen König kein würdigerer Empfang bereitet werden konnte«, sagte der Alte, doch es klang kalt und teilnahmslos. »Folge mir!«
    Hapsusch drehte sich um und ging voran, über lange Teppiche, zwischen Marmorsäulen hindurch und durch kostbar eingerichtete Räume. Jene, die bei ihm gestanden hatten, folgten in geringem Abstand. Auch sie trugen einfache Gewänder.
    Mythor fühlte sich unwohl. Viel lieber wäre er jetzt draußen gewesen bei den Kriegern, die den Pflanzen zu Leibe rückten und ihr Leben für ihre Stadt wagten.
    Es folgte ein langer Korridor. Die Wände waren weiß wie fast alles in diesem Palast, der Boden war mit geschliffenem rotem Marmor gefliest. Trauben von Kristallen fingen das Licht der Lampen ein und warfen es in feinen Strahlen über den Gang. Bogenförmige Durchgänge führten in kleinere Räume.
    Je mehr das Ende des Korridors
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