Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
König Mythor

König Mythor

Titel: König Mythor
Autoren: Horst Hoffmann
Vom Netzwerk:
sich flüsternd, wenn überhaupt. Kein Lufthauch war zu spüren, als die Sonne tiefer sank und der Abend nahte.
    Dann geschah es. Die hochgereckten Dämonenpflanzen begannen sich zu bewegen, zaghaft zunächst, dann immer heftiger. Wieder begannen sie durch die Luft zu peitschen.
    Nahir verstand Hapsuschs geheimnisvolle Andeutung, als er die Schreie aus der Stadt hörte. Überall brach der Boden auf, und dicke grüne Stränge schnellten sich in die Höhe. Ganze Häuser wurden hochgehoben und zertrümmert. Männer, Frauen und Kinder flohen in Panik zum Sarro, wo Boote für sie bereitstanden. Sie ließen all ihre Habe zurück und rannten schreiend durch die Straßen. Viele fielen den hervorbrechenden Dämonenpflanzen zum Opfer, bevor sie den Fluss erreichen konnten.
    Schreckliche Szenen spielten sich vor Nahirs Augen ab. Der Hauptmann brüllte Befehle, um das Brausen und Singen zu übertönen, das nun wieder die Luft erfüllte und ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Kuriere saßen auf und sprengten auf ihren Pferden davon, um die Nachricht vom Angriff der Pflanzen zum Palast zu bringen oder die Krieger mit den Blasebälgen zu den Kampfschauplätzen zu dirigieren, wo Männer ihre Brandbolzen auf die unheimlichen Gegner abschossen und mit ihren Lanzen, deren gebogene Klingen mit pechgetränkten Lappen umwickelt waren, nach den peitschenden Strängen stießen.
    Es wurde schnell dunkel, und in der Dunkelheit wuchsen die Pflanzen und gebaren ihre fürchterlichen Chimären. An vielen Stellen der Stadt erhellten Feuer die Straßen. Flammenlohen schossen den Schlangenstämmen entgegen, doch wo eine Dämonenpflanze sich verfärbte und sterbend einrollte, wuchsen drei, vier neue aus dem Boden. Wer ein Schwert hatte, nahm in seiner Panik damit den Kampf gegen die Chimären auf, obwohl Nahir dies streng untersagt hatte.
    Doch die Männer dort unten in den Straßen konnten nicht mehr klar denken. Die Angst trübte ihren Verstand. Wo es dunkel war, geschahen unheimliche Dinge. Ganze Häuserreihen fielen unter großem Getöse in sich zusammen, bevor peitschende Stränge im Licht der Feuer in die Höhe schnellten. Ein Pflanzenarm schob sich nur wenige Steinwürfe von der Stadtmauer entfernt unter einen Blasebalg, hob ihn hoch und ließ Feuer auf die Krieger herabregnen, die ihn bedient hatten. Flammen schossen nach allen Seiten hin über die Straße, als der Blasebalg in der Luft barst. Männer wurden zu brennenden Fackeln und wälzten sich verzweifelt auf dem Boden. Und die Nacht hatte gerade erst begonnen.
    Unsagbarer Schmerz überkam den Hauptmann der Palastwache, als er sah, wie seine Stadt in Trümmer fiel. Noch war die Verwüstung auf einzelne Stadtviertel begrenzt, doch wie sollte Leone diese Nacht überstehen?
    In ihrer Verzweiflung steckten Krieger Häuser in Brand. Flammen schlugen lodernd hoch in den Himmel und machten die Nacht zum Tag. Nahir nahm die Schreie, die an sein Ohr drangen, und das furchtbare Singen, Stöhnen und Ächzen der Pflanzen kaum noch wahr.
    Wo blieb der König? Wo blieb der Sohn des Kometen mit seinem wunderbaren Gläsernen Schwert, das allein die Saat des Bösen bezwingen konnte?
    Stumm schüttelte Nahir den Kopf. Auch er würde gegen diese Übermacht nichts ausrichten können.
    Neben Nahir schrie ein Mann in höchster Todesangst. Der Hauptmann fuhr herum, eine Pechfackel in der Hand. Das Grauen nahm von ihm Besitz. Eiskalt kroch es in sein Gehirn und lähmte sein Denken. Mit einem Schrei stieß er die Fackel dem Sterbenden in die Brust. Es war das einzige, was er für ihn tun konnte. Zuckend verging das schleimige Wesen, das unbemerkt die Stadtmauer heraufgekrochen war und sich in den Leib des Kriegers gefressen hatte.
    Und nun kamen sie zu Dutzenden über die Mauer. Nahir nahm zwei der bereitliegenden Fackeln in die zitternden Hände, zündete sie über einem Feuerkessel an und schwang sie. Andere hieben mit ihnen auf die schleimigen Kreaturen ein, die sich zwischen den Zinnen auf den Wehrgang schoben, die Mauer heraufglitten oder von den Seiten kamen.
    Einer der mächtigen weißen Steinblöcke barst mit lautem Knirschen aus der Befestigung und stürzte in die Tiefe. Wo er eingefügt gewesen war, peitschte der schimmernde Strang einer Dämonenpflanze über die Stadtmauer.
    *
    Das Wiedersehen war herzlich. Mythor und Lamir fielen sich in die Arme. Der Barde hatte Tränen in den Augen, als er Mythor ansah, als wären sie für Jahre voneinander getrennt gewesen. Lamir trug wieder die gelbe Gugel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher