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König Mythor

König Mythor

Titel: König Mythor
Autoren: Horst Hoffmann
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Hörensagen. Etwa zwei Reitstunden von Leone entfernt steht der Baum des Lebens, und es heißt, dass niemand außer Hapsusch dorthin gelangen kann.«
    »Du musst dir sehr gute Beziehungen geschaffen haben in dieser kurzen Zeit«, sagte Mythor. »Was weißt du noch über den Baum des Lebens?« Er bemühte sich, die in ihm aufsteigende Aufregung nicht zu zeigen. Hätte er nur den Helm der Gerechten getragen…
    »Nichts, Geliebter. Frag Hapsusch danach! Ich weiß nur, dass die Leoniter den Baum als Symbol allen Lebens ansehen und dass sich ein Fruchtbarkeitskult um ihn gebildet hat, dem natürlich Hapsusch vorsteht. Am Baum des Lebens sollen alle Fäden der Lichtwelt zusammenlaufen. Dort soll gleichermaßen Anfang und Ende sein. Die Menschen hier sehen die Welt als eine runde Scheibe an, die im Westen durch den Ozean, im Norden durch das Eis, im Osten durch die Götterberge und im Süden durch die Schattenzone begrenzt wird, die langsam, aber sicher die Welt verschlingen wird, falls ihr nicht durch das Licht Einhalt geboten wird.«
    »Wobei der Baum des Lebens eine Rolle spielen soll?«
    »Vielleicht, Mythor. Ich weiß, was du jetzt denkst. Vielleicht ist er der nächste Fixpunkt, nach dem du suchst. Ich fürchte, nur Hapsusch kann dir darauf eine Antwort geben. Jedenfalls gibt es um ihn Feste zu allen Jahreszeiten, die die Phasen des werdenden und vergehenden Lebens symbolisieren. Die Leoniter sind allerdings keine Bauern im eigentlichen Sinn. Es sind für sie rituelle Akte.« Sie hob die Schultern. »Es hat mich Mühe genug gekostet, Jehaddi diese Auskünfte zu entlocken.«
    »Jehaddi?« fragte Mythor grinsend. »Und Mühe?«
    »Einer von Hauptmann Nahirs Männern. Mythor, du bist nicht etwa doch eifersüchtig?«
    »Ich werde ihm den Hals umdrehen, wenn ich ihn treffe. Was ist mit den Leonitern selbst? Sie sind kein Mischvolk wie die Salamiter-Stämme. Woher kommen sie?«
    »Soviel ich hörte, tief aus dem Süden. Auch sie haben mit den Ureinwohnern von Salamos, den Sarronnen, die in ihren Pueblos noch im Mündungsgebiet des Sarro leben, nichts gemeinsam. In fast allen Bereichen sind sie ein Sonderfall hier im nördlichen Salamos.«
    Mythor nickte. Er dachte an die Armbrüste, die zweifellos eine Eigenentwicklung der Leoniter waren, ebenso wie die Feuer verspuckenden Blasebälge, mit denen er die Krieger nun unten in den Straßen gegen die Mordpflanzen anrücken sah. Im Gegensatz zu den Mischvölkern hatten die Leoniter sich anscheinend über Jahrhunderte hinweg ihre Eigenständigkeit bewahrt - und ihre Mythen.
    Mythor hielt es nicht länger auf dem Turm, während in Leone mit dem Mut der Verzweiflung gekämpft wurde. Noch einmal ließ er seine Blicke schweifen - und stutzte.
    Täuschte er sich, oder war da tatsächlich ein Plan im auf den ersten Blick ungestümen und unkontrollierten Angriff der Dämonenpflanzen zu erkennen? Große Teile der Stadt waren noch von ihnen verschont, während andere in Trümmern lagen. Mythor kniff die Augen zusammen, und wirklich sah es ganz so aus, als konzentrierten sich die Angriffe auf den Ostteil Leones. Dort loderten die Feuer. Dort peitschten die Stränge durch die Luft und schrien Männer. Von dort wälzte sich die Flüchtlingslawine zum Fluss. Im Westen dagegen war es noch völlig ruhig. Und im Westen sollte der Baum des Lebens stehen.
    Mythor nahm diese Eindrücke in sich auf und merkte sich einige Straßenzüge. Diese Beobachtungen konnten später wichtig sein.
    »Komm!« sagte er zu Buruna. Sie verließen die Turmkammer, stiegen über die gewundenen Treppen hinab und erreichten den zum Thronsaal führenden Gang gerade in jenem Moment, als von unten aus der Halle laute Stimmen heraufklangen.
    »Hapsusch!« flüsterte Buruna. Mythor legte ihr einen Finger auf den Mund und lauschte. Als er seinen Namen hörte, schlich er auf leisen Sohlen bis zur in die untere Halle führenden Treppe und sah den Lebensgärtner in heftigem Streit mit einigen Kriegern der Stadtwache.
    »Wir haben Befehl, dem König selbst zu berichten!« rief einer der Männer. »Nicht dir, Lebensgärtner!«
    »Sagt mir, was ihr zu sagen habt, und ich unterrichte König Mythor!« fuhr der Greis ihn an.
    Einer der Krieger sah Mythor, als dieser nun die Treppe hinabstieg. Hapsusch fuhr herum und erschrak.
    »So, wie du mich bisher unterrichtet hast, Hapsusch?« fragte Mythor scharf. Er trat neben den Greis und blickte die Krieger auffordernd an.
    »Ich...«, begann der Alte.
    Mythor winkte barsch ab. »Sprecht.
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