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König Mythor

König Mythor

Titel: König Mythor
Autoren: Horst Hoffmann
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schwankenden Ästen festklammern. Was immer ihren unheimlichen Heißhunger ausgelöst hatte, es zog auch andere an. Mythor musste sich an eine der Kammerwände drücken, als eine Horde Januffen vorbeistürmte, ohne ihn überhaupt zu beachten. Andere tauchten von oben und unten auf der Plattform auf und kletterten behände in die Äste.
    Mythor bekam das Gefühl, der ganze Baum werde durchgeschüttelt, denn selbst der Boden der Laubkammer schwankte heftig, ohne jedoch aufzubrechen.
    Fast zu spät merkte er, dass beinahe alle Baumbewohner ihm nun ihr Hinterteil zukehrten. Die Januffen kannten nur noch ihre Fresssucht und nichts anderes, gerade so, als hätten sie Jahre darauf gewartet, sich an den Baumfrüchten gütlich tun zu können. Unter ohrenbetäubendem Kreischen und Schnattern schwangen sie sich durch die Äste und rüttelten daran, als gelte es, den Baum des Lebens abzureißen.
    Etliche Zapfen fielen dabei ab und in die Tiefe. Mythor, der dem allen fassungslos gegenüberstand, war weit davon entfernt, die Bedeutung dieses Anblicks auch nur annähernd zu ermessen. Er wusste nur, dass er nicht länger in die »hinteren Gesichter« schauen durfte.
    Vorsichtig schob er sich an der Blätterwand entlang auf den Durchgang zu, der wieder tiefer in den Baum hineinführte. Erst als er hindurch war und nicht verfolgt wurde, begann er zu laufen, sprang behände Stufen hinauf und sah zu, dass er schnellstens so viel Raum wie möglich zwischen sich und die Rasenden brachte, deren Gekreische ihn verfolgte, bis er jene Stelle wieder erreicht hatte, an der seine Begleiter ihn am Weitersteigen gehindert hatten.
    Kein Januffe kam und verstellte ihm den Weg. Mythor schätzte, dass nun alle Wächter des Baumes am Rand der mächtigen Krone versammelt waren und sich die Bäuche vollschlugen.
    Ungehindert stieg er weiter und folgte den Signalen des Helmes. Er erreichte den Stamm, der selbst in dieser großen Höhe noch so dick war, dass drei, vier Männer nötig gewesen wären, um ihn mit ausgestreckten Armen Hand in Hand zu umfassen.
    Hier war das Laub nicht so dicht, und Mythor kletterte von einem Ast auf den anderen. Leicht schob er sich immer weiter in die Höhe, bis die Einflüsterungen des Helmes mit einemmal erstarben.
    Direkt vor Mythor war der Stamm des Baumes geschwulstartig verdickt, gerade so, als wäre er an dieser Stelle vor urdenklichen Zeiten aufgeplatzt, denn hinter den nach beiden Seiten ausladenden Verdickungen war er ausgehöhlt.
    Mythor zögerte, die Baumhöhle zu betreten, die gut und gern Platz für ein halbes Dutzend Männer bot. Er wusste, dass er sein Ziel erreicht hatte. Aber wo war Luxon?
    Langsam, das Gläserne Schwert in der Rechten, kletterte Mythor weiter in die Höhle. Auch hier war es hell, doch nun war deutlich zu sehen, dass das Ungewisse Licht aus dem Holz des Stammes kam.
    Doch obwohl es taghell war, sah Mythor nichts außer den Wänden der Baumhöhle. Es war, als hindere ein magischer Vorhang ihn daran, das zu erkennen, was vor ihm liegen mochte.
    Und noch während der Sohn des Kometen sich bemühte, diesen Vorhang zu durchbrechen, spürte er, wie sich etwas in sein Denken schlich. Er kämpfte nicht dagegen an, denn mit dem Fremden ergriff eine Ruhe von ihm Besitz, tiefer noch als die Ruhe, die er seit dem Besteigen des Baumes empfunden hatte. Mythors Augenlider fielen herab. Und dann sah er…
    *
    Am Anfang war das Licht, und aus dem Licht bildeten sich Arme und Hände und Finger, die ein zartes junges Pflänzchen in jungfräulichen Boden pflanzten.
    Das Licht verharrte für eine Weile und sah, wie das Bäumchen zu wachsen begann, und eine mächtige Stimme war weithin zu hören: »Nun wachse heran und werde zu einem Baum des immerwährenden Lebens!« erscholl es weit über das unberührte Land. »Wachse und mache die Welt fruchtbar! Strecke deine Äste weit in alle Richtungen, nach Süden und Norden, nach Westen und Osten, und banne die Dunkelheit, bewahre das Licht! Reife heran und wirf deine Früchte ab, auf dass deine Kinder überall dort aus dem Boden sprießen, wo Finsternis sich anschickt, die Saat des Lebens zu erdrücken!«
    Dann stieg das Licht hoch in den Himmel auf und zog davon, wanderte über das Firmament und war lange noch zu sehen, bis es den Horizont weiß erstrahlen ließ, weit hinter den Bergen der Alten Götter, auf seiner Wanderung über die Welt.
    Das Pflänzchen aber wuchs und wurde zu einem mächtigen Baum, dessen Äste sich nach allen Richtungen hin erstreckten, wie das
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