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König für einen Sommer: Roman (German Edition)

König für einen Sommer: Roman (German Edition)

Titel: König für einen Sommer: Roman (German Edition)
Autoren: Jochen Till
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uns faszinierten, sondern die kurzen MTV-Eigenwerbungs-Clips dazwischen. Völlig abgedrehtes Zeug, vor allem optisch. Ich hatte mich immer gefragt, wie diese Jungs auf solche Ideen kommen. Jetzt war es klar. Sie hatten ein Telefonbuch in LSD getunkt und verputzten jeden Tag eine Seite oder zwei. Vielleicht wäre das ja ein Job für mich. Und, was machst du so? Ich bin Executive Producer und Head Of Creative Departments für MTV-Clips. Wir arbeiten auf künstlerisch höchster Ebene. State of the art.
    Sorry, aber ich muss schnell weiter. Monatsende. Deadline. Unser Telefonbuch ist schon wieder bei Zoschke.
    Okay, wir hatten unseren Spaß in dieser Nacht und meine Backen bitzelten noch am Abend danach, aber es war nicht das richtige Sinatra-Gefühl, irgendetwas fehlte. Ich glaube, es lag daran, dass wir die ganze Zeit über drinnen gewesen waren. Es gab kein Gras und keine Lichter und keine Sterne. Zu wenig Input für die Augen, echtes lebendes Input. Fernsehen war zwar schön bunt, aber nicht dasselbe. Andi fand es okay, aber im Nachhinein ärgerte ich mich sehr darüber, einen ganzen Sinatra verschwendet zu haben. Zum Glück war es nicht der letzte.
    Es standen keine Feste oder Partys mehr an, also mussten wir uns etwas anderes einfallen lassen, um Sinatra gebührend zu verabschieden. Und ausgerechnet Kelly brachte mich auf die rettende Idee.
    »Hast du Lust, am Samstag mit mir und Anna ins Openairkino zu gehen?«
    »Openairkino? Genau, das ist es! Das ist perfekt.«
    »Perfekt wofür?«
    »Ach, nichts. Können wir Andi mitnehmen?«
    »Klar, warum nicht.«
    »Was läuft denn?«
    »Zuerst ›Reality Bites‹ und danach ›Trainspotting‹.«
    »Oberperfekt. Ich ruf gleich mal Andi an.«
    »Das wäre auch eine gute Gelegenheit, dich bei Anna zu entschuldigen.«
    »Wie? Ach so, ja klar, mach ich dann.«
    Das Openairkino fand in einem Schwimmbad statt, das am Rande eines Waldes gelegen war. Wir waren ausgerüstet wie für ein großes Picknick. Decken zum Drauflegen, Kissen als Kopfstützen, eine riesige Kühlbox mit Getränken und Knabberzeug, es war für alles gesorgt. Da wir sehr früh dort ankamen, konnten wir uns gemütlich mitten auf der Wiese ausbreiten, nicht zu nah und nicht zu weit weg von der riesigen Leinwand. Anna war mir gegenüber sehr zurückhaltend und einsilbig, beinahe schon kalt. Die Gelegenheit, sich bei ihr zu entschuldigen, hatte sich noch nicht ergeben, da wir immer zu viert waren. Später. Der erste Film begann um elf Uhr. Zeit, ein letztes Mal Mr. Sinatra die Tür zu öffnen. Er würde mir fehlen, so viel stand fest. Aber erst morgen. Reality Bites. Der Film an sich war mittelmäßig. Die Dialoge waren ganz nett. Ethan Hawke war okay. Winona Ryder war sensationell. Ich konnte meine Augen nicht von ihr nehmen.
    »Das ist mit Abstand die schönste Frau der Welt«, sagte ich. „Ja, die ist ganz süß«, sagte Andi.
    »Ganz süß? Mehr nicht? Schau dir doch mal dieses Lächeln an. Dafür würde ich sofort und auf der Stelle sterben. Und diese Augen. Einmalig. Von wegen ganz süß. Sie ist perfekt. Winona, ich liebe dich.«
    »David!«, zischte Kelly und rammte mir ihren Ellenbogen in die Seite.
    »Was denn?«
    »Anna...«
    »Ach so, ja.« Ich beugte mich über Andi zu Anna hinüber. »Sorry übrigens, wegen dem Altstadtfest ... Da! Wieder dieses Lächeln! Habt ihr das gesehen? Sensationell. Winona, ich gehöre dir! Aua!«
    Kellys Ellenbogen war auf meinem Brustkasten eingeschlagen.
    »Du Vollidiot!«, zischte sie. »Hör sofort auf damit. Was ist denn heute wieder los mit dir?«
    »Ich mach doch gar nichts«, flüsterte ich zurück. »Und ich hab mich doch entschuldigt.«
    „Ja, tolle Entschuldigung. Ganz toll, David. Jetzt halt gefälligst die Klappe, bevor du noch mehr Schaden anrichtest.«
    »Okay, okay.«
    Der Film war kaum zu Ende, da waren Kelly und Anna auch schon in Richtung Toiletten verschwunden. Der Oberste Frauengerichtshof würde dort über meinen Fall entscheiden. Und es sah gar nicht gut für mich aus. Zu dumm, dass an diesem Gericht keine Anwälte zugelassen sind. Meine eigene Verteidigung hatte ich jedenfalls gründlich vermasselt. Zwanzig Minuten später kamen sie zurück und fingen an ihre Sachen zu packen.
    »Ihr wollt schon gehen?«, fragte Andi. »Was ist denn los?«
    »Ähm ... Anna geht es nicht so gut.« Ein böser Blick zu mir. »Ich fahre sie nach Hause. Viel Spaß noch.«
    Wir befinden den Angeklagten für schuldig im Sinne der Anklage. Die Beweisführung ergab
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