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König für einen Sommer: Roman (German Edition)

König für einen Sommer: Roman (German Edition)

Titel: König für einen Sommer: Roman (German Edition)
Autoren: Jochen Till
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ansehen, wie er sich genüsslich und scheinbar in Zeitlupe eine Zigarette ansteckte und einen tiefen Schluck aus seiner Flasche nahm.
    »Also, pass auf«, begann er endlich fast lehrerhaft. »Wir waren gestern Abend im Jenseits, um in deinen Geburtstag reinzufeiern.«
    »Wer alles?«, wollte ich wissen.
    »Die ganze Crew. Andi, Wolf, Beckmann, Simone, Claudia, Jessie, Pia, du und ich. Na, dämmert's ein bisschen?«
    Bei einem der Namen war es mir kalt den Rücken heruntergelaufen, aber da ich dieses Gefühl nicht einordnen konnte, verneinte ich diese Frage. Flo fuhr fort.
    »Du hast mit Wolf, Andi und Beckmann Asse ziehen gespielt und nur verloren. Danach hast du noch schätzungsweise zehn Wodka-O und etliche Biere abgezogen. Alles noch vor zwölf.«
    »Okay, ich war also voll.«
    »Sternhagelvoll. Erinnerst du dich vielleicht noch daran, wer die ganze Zeit neben dir saß?«
    »Nein, nichts.«
    »Pia saß den ganzen Abend neben dir.«
    Das war der Name, den ich gefürchtet hatte. Pia. Nichts gegen Pia; sie ist sehr nett. Und seit zwei Jahren hinter mir her, als wäre ich das letzte Exemplar meiner Gattung. Ich hatte ihr schon tausendmal gesagt, direkt gesagt und offen ausgesprochen, dass ich nichts von ihr will, aber das hinderte sie keinesfalls daran, es immer wieder zu versuchen. Mir schwante Böses.
    »Und?«
    »Na ja, als Chris um Punkt zwölf hereinkam, um dich zu überraschen, hattest du gerade deine Zunge in Pias Mund und deine Hand unter ihrem T-Shirt.«
    »Verdammte Scheiße! Ich Vollidiot!«
    »Ja, genau. Aber das war noch nicht alles.«
    »Was denn noch?«
    »Chris ist natürlich sofort ausgerastet. Sie schrie dich an und versuchte dich von Pia wegzuzerren, aber du hast dich an ihr festgeklammert. Chris schrie immer lauter und hysterischer und schlug auf dich ein. Weißt du, was du dann gemacht hast?«
    »Keine Ahnung.«
    Flo fing an zu lachen.
    »Du hast ...«, gluckste er, »du hast deinen Köpf ... Du hast deinen Kopf zwischen Pias Möpse gesteckt, um dich vor Chris' Schlägen zu schützen. Du hättest dich sehen sollen!«
    »Oh Gott!«
    »Chris hat dich an den Haaren gepackt, deinen Kopf von Pia weggezogen und dreimal voll zugeschlagen. Du hast den Tisch geküsst und Chris ist heulend rausgerannt. Wolf ist ihr gleich hinterher. Sein Auto stand übrigens eben vor ihrem Haus.«
    »Ha! Mein Freund Wolf! Der hat doch nur drauf gewartet, dass es bei uns kracht. Dieses Arschloch!«
    »Klar ist Wolf ein Arschloch. Das hab ich dir schon immer gesagt. Aber das dürfte jetzt wohl kaum dein größtes Problem sein, oder?«
    Flo hatte natürlich Recht. Es ging nicht um Wolf. Ich hatte Mist gebaut. Trotzdem jagte mir die Vorstellung, dass er gerade bei ihr war und die Nummer des uneigennützigen Trösters gab, eine Höllenangst ein. Er hatte diese Nummer schon oft abgezogen, bei anderen, und er war verdammt gut darin.
    »Was willst du jetzt machen?«, fragte Flo. »Glaubst du, sie verzeiht dir?«
    »Ich weiß nicht. Bis jetzt konnte ich es immer noch hinbiegen, wenn wir Zoff hatten, aber das gestern war wohl doch 'ne Spur zu hart. Ich Volltrottel! Mit Pia! Ich hab sie doch echt nicht mehr alle.«
    »Ruf sie doch an!«
    »Ich soll sie anrufen?«
    »Klar.«
    »Jetzt?«
    »Logisch jetzt! Wann sonst? Übermorgen? Hier.« Flo drückte mir das Telefon in die Hand.
    Als ich ihre Nummer wählte, meldete sich mein Magen wieder. Ich hatte panische Angst. Was sollte ich ihr sagen? Wie entschuldigt man sich für etwas, das nicht zu entschuldigen ist?
    Der Alkohol war schuld. Nein, das war zu billig. Pia war schuld. Nein. Schließlich war ich es, der seinen Kopf zwischen ihre ... Chris meldete sich.
    »Hi, Chris, ich bin's. Hör zu, ich ...«
    Sie hatte aufgelegt. Ich versuchte es noch einmal, aber sie nahm nicht mehr ab. Ich feuerte das Telefon in die Spüle.
    »Und jetzt?«, fragte ich Flo, der als Antwort nur mit den Achseln zucken konnte. »Kannst du mich zu ihr fahren?«
    »Du willst zu ihr?«
    »Was bleibt mir denn anderes übrig?«
    »Wolf ist bei ihr.«
    »Ich weiß. Das erspart mir einen Weg.«
    »Was hast du mit ihm vor?«
    »Nichts. Ich will nur mit Chris reden.«
    FLO SETZTE mich vor ihrem Haus ab. Chris' Wohnung war im zweiten Stock. Als ich die Treppen hinaufstieg, setzten die Magenkrämpfe wieder ein und meine Knie wurden weich, als ob ich gerade einen Marathon hinter mir hätte. Zitternd und mit einem Herzschlag, den man bestimmt noch drei Straßen weiter hören konnte, stand ich schließlich vor ihrer Tür. Ich
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