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König für einen Sommer: Roman (German Edition)

König für einen Sommer: Roman (German Edition)

Titel: König für einen Sommer: Roman (German Edition)
Autoren: Jochen Till
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schließlich bei mir. Wir setzten uns auf die Couch und ich schob eine Ärzte-CD ein, in der Hoffnung, die Klänge seiner Lieblingsband würden Flos Laune etwas heben. Bestimmt eine halbe Stunde lang saßen wir einfach nur da, tranken Bier und rauchten. Ich erinnerte mich an irgendeinen Film, in dem irgendein Typ sagte, dass dieses Schweigen unter Männern etwas Besonderes und Schönes sei, und ich gab ihm meine volle Zustimmung. Worte waren nicht nötig, überflüssig wie Blumengießen nach einem Dauerregen. Ich wusste, was Flo fühlte, und er wusste, was ich dachte. Die einzige Frage, die das Schweigen irgendwann brechen musste, war die, wie es weitergehen sollte.
    »Und jetzt?«
    »Wie, und jetzt?«
    »Wie geht's weiter mit euch?«
    »Überhaupt nicht mehr.«
    »Es ist aus?«
    »Ja, aus. Das war zu viel heute. Mir reicht's.«
    Sein Entschluss klang logisch, aber wie ich aus eigener Erfahrung wusste, hatten Beziehungen so viel mit Logik zu tun wie Clausthaler mit Bier.
    »Bist du dir sicher? Ich denke, du liebst sie.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich sie jemals wirklich geliebt habe.«
    »Blödsinn! Natürlich hast du sie geliebt. Warum sonst hättest du ihre Launen so lange ertragen? Du musst sie lieben. Anders kann ich mir eure Beziehung nicht erklären.«
    „Ja, du hast Recht, irgendwie. Ich hab sie geliebt. Aber nach heute bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich es immer noch tue. Das wird mir einfach alles zu viel. Ich will kein schlechtes Gewissen haben müssen, wenn ich was mit dir unternehme. Und ich will vor allem nicht in Spanien sitzen und die ganze Zeit daran denken müssen, dass sie deswegen sauer ist. Nein, das war's. Morgen sag ich's ihr.«
    »Wenn du dir wirklich sicher bist, muss es wohl sein. Leicht wird's bestimmt nicht.«
    »Oh Gott, nein. Sie wird ausrasten.«
    Wir schwiegen wieder eine Weile, bis uns plötzlich die Klingel aufschreckte. Ein kurzer gegenseitiger Blick und wir wussten, wer es war.
    »Ich bin nicht hier«, sagte Flo bestimmt, während ich zur Tür ging.
    Als ich öffnete, fiel mir eine total betrunkene, vom Heulen entstellte Claudia in die Arme.
    »Er ist hier, oder?«, schluchzte sie. »Bitte sag mir, dass er hier ist! Ich war überall. Seit einer Stunde laufe ich rum und ... Ich muss mit ihm reden. Bitte, lass mich zu ihm! Ich weiß, er ist hier. Lass mich zu ihm!«
    Ich kann Frauen nicht weinen sehen, aus welchen Gründen auch immer. Eine einzige Träne in den Augen einer Frau und ich werde weich und verzeihe alles. Wäre ich Richter, ständen sämtliche Frauengefängnisse teer. Sie haben Ihren Mann mit einer stumpfen Heckenschere kastriert und dann mit einer Motorsäge enthauptet? Das war aber gar nicht nett. Nein, bitte nicht weinen! Bitte weinen Sie doch nicht! Ist doch alles nur halb so schlimm. Versprechen Sie es nicht wieder zu tun, dann können Sie gehen. Hier, nehmen Sie mein Taschentuch.
    Claudia hatte es geschafft. Sie tat mir Leid. Ich konnte sie sogar verstehen, sehr gut verstehen, aber in diesem Zustand konnte ich sie nicht zu Flo lassen.
    »Ja, er ist hier«, sagte ich. »Aber bevor du dich nicht beruhigt hast, lasse ich dich nicht zu ihm. Komm, setz dich erst mal.«
    Wir setzten uns auf den Bürgersteig und sie fing wieder an zu weinen.
    »Es ... es ... es tut mir Leid«, waren die ersten Worte, die sie klar verständlich hervorbrachte.
    »Was tut dir Leid?«
    »Was ich dir vorhin hinterhergerufen habe. Ich hab's nicht ernst gemeint. Entschuldige, bitte.«
    »Schon okay.«
    »Er liebt mich nicht. Ich bin ihm völlig egal.«
    »Schwachsinn!«
    »Warum behandelt er mich dann so, als würde ich ihm nichts bedeuten? Warum haut er einfach ab?«
    Sie wollte wirklich wissen, warum Flo geflüchtet war. Sie wusste es nicht. Unfassbar. Offensichtlich hatte sie nicht einen Moment darüber nachgedacht, ob es eventuell an ihr gelegen haben könnte.
    »Na ja, mit deiner Show heute Abend hättest du Dschingis Khan mitsamt seiner Armee in die Flucht geschlagen.«
    Diesen Satz bereute ich bereits, bevor ich ihn ganz ausgesprochen hatte.
    »Ja, ja! Natürlich! Es ist meine Schuld!«, fuhr sie mich in einem Ton an, der alles andere als menschlich klang. »Wenn's nach dir ginge, wäre ja schon lange Schluss! Du konntest mich doch noch nie leiden. Du hast schon immer versucht uns auseinander zu bringen, von Anfang an. Du bist an allem schuld! Ohne dich wär's nie so weit gekommen. Ich hasse dich! Du gönnst ihm keine Freundin, weil du selbst keine mehr hast. Weil du zu blöd
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